Wieder 60 000 am Norisring

Porsche-Turbolader unter sich

Nur Kelleners konnte als Dritter auf seinem McLaren noch mithalten – Gesamtsieger Kinnunen, wie er es sich zum 29. Geburtstag gewünscht hatte – Kauhsen im zweiten Lauf vorne – Doch viele Ausfälle

NÜRNBERG – Die „200 Meilen von Nürnberg“, den sechsten Lauf der Interserie, entschieden am Sonntag auf dem Norisring die beiden hochfavorisierten Porsche 917-10 Turbo unter sich. Ungefährdet vom übrigen Feld lieferten sich der „Fliegende Finne“ Leo Kinnunen und der Aachener Willi Kauhsen ein spannendes Duell um den ersten Platz.

Im ersten lauf siegte der Finne mit einem prächtig ausgebauten Vorsprung von 26,4 Sekunden vor seinem Markengefährten, im zweiten Lauf schaffte es Kauhsen, knapp mit 1,6 Sekunden die Ziellinie vor Kinnunen zu erreichen. In der Gesamtwertung erreichte Kinnunen damit den ersten Platz.

Dies war für den Finnen nicht nur der zweite – Schweizer Franken bringende – Sieg auf seinem 917-10 nach dem gewonnenen fünften Lauf der Interserie auf dem Hockenheimring, sondern zugleich die Erfüllung seines am Samstag geäußerten Geburtstagswunsches. Kinnunen, der vor dem Training vom MCN-Vorsitzenden Dr. Oskar Ficht beglückwünscht wurde – feierte am Samstag seinen 29. Geburtstag.

Durch zahlreiche technische Pannen und den dadurch bedingten Ausfall von Spitzenfahrern erlebten die 60 000 Zuschauer auf dem Norisring nicht die spannenden Duelle der letzten beiden Jahre. Nachdem jeweils schon bald die beiden Favoriten feststanden, konnten nur technische Defekte die Spitzenpositionen verschieben. Doch beide Porsche-Turbos liefen wie ein Uhrwerk, was man allenfalls noch von Helmut Kelleners McLaren M 8 F und der deutschen Konstruktion KMW mit 2,6-Liter-Porsche-Motor behaupten konnte.

Kinnunen war - wie erwartet – am Samstag im Training recht verhalten gefahren; er hatte einige Probleme mit dem Gasgestänge seines Boliden, schaffte dann aber noch eine gute fünfte Startposition für den ersten Lauf. Trainingsschnellster und damit großer Favorit wurde der Belgier Teddy Pilette auf dem dritten Turbo-Rennwagen, einem McLaren M 8 F, der später mit Motorschaden ausfallen sollte. Weiterer Favorit war Howden Ganley, siebtschnellster Fahrer im Training auf einem Chevrolet BRM.

Nach dem Indianapolis-Start zur ersten Runde des Interserie-Rennens ging am Sonntag Kelleners auf einem McLaren M 8 F in Führung, gefolgt von Kauhsen, Pilette und Kinnunen. Doch die Favoriten starben schnell: in der fünften Runde fiel Pilette mit Motorschaden aus – die Hoffnungen seines Teamchefs, Pilette könne im zweiten Lauf kräftig mitmischen, wenn nicht gar zur Siegergruppe gehören, erfüllten sich nicht – Chris Craft auf einem Porsche 917 K berührte in der sechsten Runde beim Abbremsen nahe der 600-Meter-Marke die Leitplanke drehte sich, berührte die gegenüberliegende Leitplanke und blieb mit Karosserieschaden auf der Strecke. Howden Ganley schied in der zehnten Runde mit Motorschaden aus und Siegfried Rieger, der schon seit der fünften Runde an den Boxen hielt, warf wegen mangelnden Benzindrucks und eines Ventilschadens das Handtuch. Die Spitzengruppe bestand somit nur noch aus den drei „K“, aus Kelleners, Kauhsen und Kinnunen.

In dieser Reihenfolge ging es bis über die zehnte Runde hinaus, wobei Kelleners zeitweise seinen Abstand zum Zweiten auf über 20 Sekunden ausbauen konnte. Ab der 16. Runde fiel der deutsche Fahrer auf dem McLaren auf den dritten Platz zurück. Was nun bis zum Ende folgte, war der Kampf um die Meter zwischen dem finnischen und dem deutschen Turbo-Porsche-Fahrer. In der 41. Runde hatten die beiden „K“ den letzten Fahrer des Rennens, Egmont Dursch auf Lola Special, bereits siebenmal überrundet. Kinnunen fuhr jetzt mit 52,59 Sekunden die schnellste Runde, bevor er sich anschickte, Kauhsen zu überholen. Offensichtlich hatte Kinnunen endlich an dem Hebel gezogen, der seinem Motor mehr Kompressionsdruck und damit mehr Spitze verleiht. Kauhsen fiel in den letzten Runden zurück, nun hart bedrängt von Kelleners, der allerdings mit einer vollen Runde im Rückstand lag. Kinnunen hatte schließlich seinen Vorsprung uneinnehmbar auf 26,4 Sekunden ausgebaut. Als die beiden Spitzenwagen durch die Zielgerade fuhren, hatten sie das übrige Feld bis zu elfmal überrundet.

Der zweite Lauf begann am Nachmittag erst einmal mit der Nennung der Fahrer, die nicht mehr antreten konnten: Ernst Kraus auf dem Porsche 917 Spyder, mit dem Kinnunen im Vorjahr gefahren war, hatte einen nicht zu reparierenden Bruch am Zylinderkopf, bei dem Schweizer Herbert Müller waren am Ferrari 512 M die Einspritzdüsen defekt, Hans Müller-Perschl hatte an seinem KMW SP 20, der sich bis zur 66. Runde, obwohl mit 2,6 Liter untermotorisiert in diesem Rennen, tapfer geschlagen hatte, einen Bruch der Nockenwelle zu melden, Chris Crafts Karosserieschaden war doch wohl so groß, dass er nicht mehr starten konnte, und Howden Ganley schließlich hatte erst in der Nacht zum Sonntag einen neuen Motor in seinen Chevrolet-BRM bekommen, damit offensichtlich aber wenig Glück gehabt.
Wie schon im ersten Rennen ging nach dem Start im zweiten Lauf Kauhsen in Front, ohne die Führung bis zum Ende abzugeben. Ihm folgte Kelleners vor Pilette und Kinnunen. In einem Abbremsmanöver par excellence schob sich dann Kinnunen auf den dritten Platz, offensichtlich brauchte der Finne für seinen Wagen ein paar Runden, um einen entsprechend hohen Kompressionsdruck zu erreichen. Pilette, auf dem im zweiten Lauf einige Hoffnungen ruhten, musste an der siebten Runde ständig an die Boxen, da die Verbindung zwischen dem Turbolader und dem Vergaser erst abgerissen, später defekt war.

 

 

Wenige Runden später wandelte sich noch einmal die Reihenfolge der ersten Drei, als sich Kinnunen vor Kelleners schob und sich somit das Bild des ersten Laufes wiederholte. Die drei „K-s“ waren wieder an der Spitze des stark dezimierten Feldes, da von den 16 vorgesehenen Fahrzeugen nur zehn an den Start gegangen waren und im Verlauf des Rennens noch einmal zwei Fahrer ausschieden.

Kauhsen bemüht, einen größeren Abstand von Kinnunen herauszufahren, um den 26,4-Sekunden-Vorsprung des Finnen bei einem möglichen Sieg wettzumachen, drehte voll auf, erreichte jedoch mit seiner schnellsten Runde – 52,6 Sekunden – weder die Zeit Kinnunens, noch die Teddy Pilettes im Training. Das Rennen schien gelaufen, nachdem der anfängliche Abstand Kinnunens zum Spitzenfahrer von 0,8 Sekunden auf fast eine halbe Runde angewachsen war. Dann aber gab es ein spannendes Duell: Kinnunen holte Runde für Runde Zeit auf. Aus 19,8 Sekunden wurden im Laufe weniger Runden schließlich 1,2 Sekunden in der letzten. Der „fliegende“ Finne, der möglicherweise technische Schwierigkeiten hatte, hatte zu spät zum Endspurt angesetzt. Die Siegerprämie des zweiten Laufes war verloren, nicht dagegen der erste Platz im Gesamtklassement.

Bei der Siegerehrung gab es dann noch eine kleine Verzögerung, als es dem dritten Sieger, dem McLaren-Fahrer Helmut Kelleners nicht gelang, auf Anhieb die dichte Menschenmenge um das Siegerpodium zu durchbrechen.

Einige Aufregung in den anderen Rennen verursachte am Sonntag der Lauf der Serientourenwagen und Spezialwagen bis 2000 ccm, als Heinz Isert auf Alfa Romeo in der letzten Runde vom bis dahin führenden Karl-Heinz Schrey in der Dutzendteichkurve am Hinterreifen touchiert wurde und den offensichtlichen Sieger damit weit zurückwarf. Aufgrund dieses Vorfalls wurde Schrey disqualifiziert und Isert zum Sieger erklärt. Nicht nur in dieser Klasse, auch bei den Serien-Tourenwagen der Gruppe 1 und Spezialtourenwagen der Gruppe 2 wurden die sieggewohnten BMW´s vom ersten Platz verdrängt. In dieser Klasse war es Bernd Ringshausen mit einem Ford (Escort) Zakspeed TC, der die BMW 1600 von der Spitze verdrängte.

Einen recht interessanten Lauf boten schließlich die Fahrer der Formel V, bei denen sich der Liechtensteiner Manfred Schurti und der Österreicher Helmuth Koinigg harte Kämpfe um den ersten Platz lieferten. In dieser finanziell hochdotierten Klasse siegte schließlich Schurti nach einem bravourösen Rennen.

Wilfried Hierse

 

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