Rätsel um die Ursache des Unglücks

Nürnberg — Wenn heute Mittag die Witwe des mexikanischen Millionärs-Sohnes Pedro Rodriguez am offenen Sarg ihres Mannes stehen wird, dann kann sie kaum noch etwas von den fürchterlichen Verletzungen sehen, die der Rennfahrer bei den „200 Meilen von Nürnberg" erlitten hatte. Nachdem der Staatsanwalt gestern Nachmittag die Leiche des tödlich verunglückten Rodriguez freigab, wurde eine Gesichtsmaske angefertigt und der Leichnam einbalsamiert. Heute um 16 Uhr nehmen Familienangehörige, Vertreter der mexikanischen Regierung, Rennfahrer und Vertreter des Motorsportclubs Nürnberg e.V. (MCN) im ADAC an der Trauerfeier für den Mexikaner in der Aussegnungshalle des Westfriedhofes teil.



Senora Rodriguez, seit Jahren bei allen großen Rennen des Stars des exclusiven Clubs der „Grand-Prix-Fahrer" dabei, blieb diesmal in Mexico. Über Fernsehen und Telefon erfuhr sie von der Nürnberger Tragödie und flog noch gestern nach Paris, von wo sie heute Vormittag in die Noris weiterfliegt. Doch nur sie wird Pedro Rodriguez, der seinem Bruder auf der Rennpiste in den Tod folgte, im offenen Sarg sehen. Dr. Oskar Ficht, Rechtsanwalt und Vorsitzender des MCN: „Wir wollen den Toten nicht öffentlich zur Schau stellen."
Rodriguez, dessen millionenschwerer Vater ebenfalls bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein soll, ist angeblich ein Nachfahre des legendären Aztekenkönigs Montezuma.
Gestern Nachmittag beriet MCN-Chef Dr. Ficht im Grand-Hotel mit dem eigens aus Köln angereisten mexikanischen Botschaftssekretärs Juan Miralles — Vertreter von Botschafter Antonio Ruizngalindo — den Ablauf der Trauerfeierlichkeiten und der Überführung der sterblichen Überreste des Rennfahrers in seine Heimat. Dr. Ficht: „Wir standen pausenlos in Verbindung mit dem mexikanischen Außenminister." Ob auch der Minister nach Nürnberg kommt, war bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt.


 

Fraglich bleibt, ob die Unfallursache endgültig geklärt werden kann. Als die Polizei den Wagen sofort nach dem Unfall beschlagnahmen wollte, war er vom Abschleppunternehmer und MCN-Funktionär Helmut Viehmann bereits weggebracht. Die Polizei: „An einen für uns zunächst unbekannten Ort." So bleiben vorläufig nur Mutmaßungen. Oberstaatsanwalt Dr. Werner Bröckelt, Leiter der Verkehrsabteilung der Anklagebehörde: „Wir haben so viele konträre Aussagen, daß die eigentliche Ursache vermutlich nicht mehr gefunden werden kann."
Da sind einige Versionen von Augenzeugen, die sich noch gestern bei der AZ meldeten:
-- Ein Reifen sei locker geworden (8. Runde) und habe sich nach zwei Runden gelöst.
-- Infolge der Bodenwellen auf dem sogenannten „Schlauch" des Noris-Rings sei der Wagen beim Abbremsen an die Leitplanke geschleudert.
-- Die Leitplanke am Unglücksabschnitt der Rennstrecke sei angeblich nur an einer Seite verschraubt gewesen. Darum sei Rodriguez gegen die Mauer geprallt statt die Planke entlang in die Strohballen zu rutschen.

Die Freiwillige Feuerwehr Nürnberg, deren Mitglied Fritz Eckert Sekunden nach dem Unglück am Wagen war: „Als die Flammen gelöscht waren, hätten wir Rodriguez aus dem Wrack ziehen können. Doch wir haben auf die Sanitäter gewartet. Denn sonst hätte der Mexikaner auf der Fahrbahn liegen müssen. Und im Wagen konnte ihm nichts mehr passieren." Eckert zur AZ: „Eine zweite Explosion gab es nicht. Rodriguez lag reglos im Wagen. Der Notarzt des BRK sagte mir später: ,Wenn er nicht kurz den Kopf bewegt hätte, ich hätte ihn noch auf der Piste für tot erklärt!“

Dieter Zoll

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