Craft
ohne Freude
Pedro Rodriguez starb bei den 200 Meilen von
Nürnberg. Hinter dieser erschütternden Tatsache muß der
Rennverlauf zurücktreten. Der erste Lauf wurde nach 11 Runden abgebrochen,
der zweite verlief mit 41 Turns planmäßig.
Das Training war bereits bei schwülem Wetter und
Temperaturen um 30 Grad eine Plage für Fahrer und Mechaniker. Trotz
Öltemperaturen von 130 Grad erreichte Chris Craft schließlich
die schnellste Trainingszeit auf dem McLaren M 8 E 7,6 Liter. Crafts Teamchef,
Keith Green, sprach von einem kleinen Wunder, denn nach den beiden letzten
lnterserie-Rennen waren leere Geldbörsen im Evergreen-Team zur Selbstverständlichkeit
geworden. Nun, Chris brachte dank seiner Trainingsbestzeit die ersten
1000 sfr ein. Pedro Rodriguez‘ zweitschnellste Zeit beeindruckte besonders,
weil Herbert Müllers Leihferrari nicht im Ruf stand, gegenüber
den 7 und 8 Liter-CanAm-Rennwagen konkurrenzfähig zu sein. Bonnier
wuchtete seinen riesigen Lola T 222 auf eine drittschnellste Zeit, vor
Neuhaus, Kinnunen und Weber.
Technische Neuigkeiten gab es in Nürnberg nur
wenige: Kinnunen verfügte dort, wie auch Neuhaus, über die gelochten,
innenbelüfteten Wyer-Porsche-Bremsscheiben; Gethin konnte den Reynolds-Vollaluminium-Motor
im Training einsetzen, erlitt aber zweimaligen Kolbenschaden. Die Reynolds-Blöcke
sind McLarens größtes Geheimnis - in ihnen arbeiten die Kolben
ohne Stahlzylinderlaufbüchsen. Für das Rennen bauten Gethins
Mechaniker dann wieder den Hockenheim 8,1-Liter-Motor ein. Gethin erhielt
vom Veranstalter noch die Möglichkeit, das neu installierte Triebwerk
zwischen den Rahmenrennen einzufahren: Eine sportliche Geste, anderen
Veranstaltern zur Nachahmung empfohlen.
Das Rennen ging in zwei Läufen
über je 100 Meilen. 21 CanAm-Rennwagen, Prototypen und Rennsportwagen
zogen mit Pedro Rodriguez an der Spitze in den ersten Lauf über 41
Runden. Chris Craft überholte Rodriguez schon auf der Gegengeraden,
und nun wechselte die Führung zwischen den beiden Trainingsschnellsten
andauernd. In der vierten Runde berührten sich Weber und Müller
beim Anbremsen der S-Kurve: Weber beschädigte sich die linke Wagenseite
und beide Felgen, Müller lief die Boxen zur Inspektion an und gab
einige Runden später auf. Peter Gethins McLaren blieb das Trainingspech
treu: „Ab der zweiten Runde konnte ich nur noch den 2., 3. und 4. Gang
einlegen, ab der 10. Runde ging auch der 3. Gang nicht mehr hinein.“ Bonnier
litt unter Zündaussetzern: Wir wurden mit laufenden Motoren zu lange
am Start festgehalten. Da müssen die Kerzen des gesündesten
Motors verrußen.“ Rodriguez konnte sich ab der 4. Runde endgültig
von Craft lösen, und Kinnunen überholte nun seinerseits Chris
Craft. Der Finne machte beständig Boden gut und hing ab der 6. Runde
am Hinterrad des Mexikaners. Die nächsten 3 Runden brachten keine
wesentlichen Veränderungen an der Spitze: Rodriguez vor Kinnunen,
Craft, Neuhaus, Gethin und Loos.
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Der
Unfall: Der Finne attackierte seinen ehemaligen John-Wyer-Teamgefährten
mit allen Mitteln seines 917 Spyder. In dieser 10. Runde war Pedros Vorsprung
auf den 240km/h schnellen Geraden auf runde 50 Meter angewachsen, in den
Kehren mögen es 10 Meter gewesen sein. Gerade in dieser 10. Runde
wollen einige Fotografen ein Wegdrücken von Pedros rechtem Reifen
aus dem Felgenbett beobachtet haben. Inzwischen konnte aber an Hand von
Vernehmungen, Fotos und Filmen festgestellt werden, daß weder ein
Reifendefekt noch der Bruch mechanischer Teile das Ausbrechen des Wagens
herbeiführten. Eine Rekonstruktion des Unfallherganges ergab folgendes:
Bei der Rückfahrt von der Spitzkehre - im sogenannten Schlauch –
zur S-Kurve liegt der Bremspunkt der schnellen Fahrzeuge 150 Meter bis
100 Meter vor der Rechtskurve. An diesem Punkte wechseln die Wagen von
der Straßenmitte zum linken Fahrbahnrand, um die Ideallinie zu erreichen.
So auch der Porsche Carrera des Münchners Hild. Just in diesem Moment
war der schnellere Rodriguez mit dem Ferrari auf Hild aufgelaufen und
setzte zum Überholen an. Hild konzentrierte sich auf seinen Bremspunkt
und sah nicht in den Rückspiegel. Er zog weiter nach links, wo aber
inzwischen Rodriguez neben ihm auftauchte. Pedro mußte mit den linken
Rädern auf das Bankett. Da er dabei jedoch seinen Bremspunkt bereits
passiert hatte, mußte er schleunigst vom Sand herunter, um wieder
Asphalt unter die Räder zu bekommen. Er zog den 512M nach rechts
streifte den Carrera, schlitterte mit allen vier Rädern quer über
die Fahrbahn und landete an der rechten Leitplanke. Der Wagen schob vier
bis fünf Meter an dieser entlang und knallte am Ende der Leitschiene
auf den Betonbrückenpfeiler. Das Wrack wurde zurück- und an
die mittlere Leitplanke geworfen. Fast im gleichen Moment stand das Auto
in Flammen. Hild reagierte richtig und kam knapp an den größten
Ferrari-Trümmern vorbei. Dennoch wurde der Porsche stark beschädigt
Das Bremsmanöver des nachfolgenden Kinnunen war einmalig und dürfte
sein Leben gerettet haben: Der Finne stellte seinen Porsche bei über
200 km/h quer und passierte die Unfallstelle ohne einen Kratzer. Kinnunen
sprang aus seinem Wagen und wollte Pedro helfen. Aber Feuerwehrleute hatten
den Brand schon gelöscht und Pedro konnte losgeschnallt und geborgen
werden. Infolge seiner Verletzungen starb er. Nach diesem Unfall wurde
das Rennen sofort abgebrochen. Man zog den Stand der 11. Runde als Ergebnis
des 1. Laufes heran.
Vor dem zweiten Lauf wurden den Fahrern
Hoffnungen gemacht, daß Rodriguez‘ Verletzungen doch nicht so schwer
wären, wie man annahm. Bis auf Müller und Kinnunen traten daher
auch die rennfähigen Fahrzeuge zum entscheidenden 2. Lauf an. Kinnunen
verzichtete, da ihn Pedros Unfall schwer mitnahm. Es ist vielleicht wenig
bekannt, daß die angeblichen Differenzen Kinnunen-Rodriguez im Weyer-Team
nie existierten. Leos Schwierigkeiten lagen vielmehr bei Wyers Teamchef
David York, der es leid war, daß der Finne kein Wort englisch sprechen
wollte. Ein weiterer Punkt hielt Kinnunen vom Start fern: Sein Freund
Hanns Laine verunglückte vor zwei Jahren tödlich auf dem Ring.
Bei jenem Rennen mußte Kinnunen aber gegen seinen Willen starten
und drehte sich. Seit diesem Nürburgringrennen fährt der Finne
nicht mehr, wenn er vorher Augenzeuge eines Unfalls war. Müller verzichtete
auf den Start, da es ja sein Wagen war, den Pedro gefahren hatte.
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Gethin
startete rasant aus der zweiten Reihe und überholte Craft und Neuhaus.
Nur wenige Runden konnte sich Craft hinter dem Werks-McLaren klemmen,
dann war Gethin endgültig vorn. Die Sensation dieses Laufes bot Michael
Weber: Er überholte zuerst Georg Loos, dann rückte er Jo Bonnier
und Jürgen Neuhaus zu Leibe. Neuhaus‘ Benzineinspritzung machte ab
der 10. Runde Kummer. Erst setzte sie bei der engen Kurve aus, dann stotterte
der Motor ausgangs der Schikane. Neuhaus winkte Weber vorbei und gab eine
Runde später auf. Schade, ein dritter Platz wäre für Jürgen
durchaus drin gewesen. Weber attackierte nun auch Bonnier und passierte
ihn in der viertletzten Runde. Was aber war mit Gethin geschehen? Sein
Vorsprung in den ersten 10 Runden betrug volle 6 Sekunden auf Chris Craft.
Ab der 12. Runde traten wieder die Getriebeschwierigkeiten auf. Schließlich
konnte Gethin nur noch den 1. und 3. Gang einlegen und war nach der Hälfte
des Rennens ein geschlagener Mann. Trickreich bewegte Gethin den angeschlagenen
Boliden um den Kurs und verlor Platz auf Platz. Zuerst holte ihn Craft
in der 33. Runde ein, dann schnappte ihn auch Michael Weber, und zwei
Runden vor Schluß kam auch noch Bonnier an Gethin vorbei. Die große
Frage war nun: Würde es Gethin schaffen seinen 8 Sekunden-Vorsprung
vom ersten Lauf auf Bonnier in diesem zweiten Lauf halten zu können?
Im Ziel lag Gethin um 7,3 Sekunden zurück und hatte somit seinen
zweiten Gesamtrang hinter dem Sieger Chris Craft verteidigt.
Ob es weitere Noris-Rennen geben wird, ist höchst
unwahrscheinlich Die Strecke entspricht nicht mehr dem, was man von einer
Rennstrecke heute erwarten muß — darüber können die vorzügliche
Rennleitung, die aufmerksame Pressestelle und das unverwechselbare, sportliche
Engagement der Nürnberger nicht hinwegtäuschen.
Hans G. lsenberg
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