Noch´n
Porsche-Sieg


Von Dieter Dehrberg

Das war wieder ein echtes Norisringrennen:
Große Namen, große Wagen, großartiges Wetter und daher nicht zuletzt großartige Stimmung. Der Motorsportclub Nürnberg erhielt den Auftrag zur Ausrichtung des ersten von insgesamt 5 Läufen der neugeschaffenen lnterserie für Fahrzeuge der Gruppe 7, also Wagen ohne Hubraumbeschränkung. Und er war geradezu prädestiniert dafür.

Hatte man doch schon in den vergangenen Jahren in Nürnberg erstmalig auf dem Kontinent diese Boliden des Motorsports bewundern können. Trotzdem war man auch jetzt nochmals in der Lage, sich zu steigern und dem Publikum einen echten Leckerbissen zu servieren. Mit der Weltpremiere des March 707 wurde wieder ein Akzent gesetzt, der den Nürnbergern so schnell keiner nachmacht.

Das letztlich ein 4,5 l Porsche 917 das Rennen gegen einen hubraummäßig fast doppelt so großen Wagen gewann, ist nicht nur ein erneutes Zeichen der Zuverlässigkeit dieses Typs, sondern auch das Verdienst eines Fahrers, der sich in der letzten Zeit immer mehr als sehr schnell und sicher erwiesen hat:
Jürgen Neuhaus.

Einmal im Jahr zieht es die Motorsportfans Deutschlands in östliche Richtung gen Nürnberg. Dann nämlich, wenn sie in Hockenheim schon die Formel II und III Windschattenspiele genossen haben und am Nürburgring bei Motorrad-, Tourenwagen- und Prototypenrennen schon naß geworden sind. Denn das ist sicher in Nürnberg: ein außergewöhnliches Programm und schönes Wetter. Apropos Wetter, das scheint mir doch so gar nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Jedes Jahr schönes Wetter, und selbst wenn in ganz Bayern Unwetter mit Regen und Hagel niedergeht, so bleibt der Norisring bis auf eine Windboe davon verschont. Ob Petrus vielleicht Mitglied des MCN ist?
Kurz noch etwas zur lnterserie: Als Gegenstück zur beliebten CanAm-Serie umfaßt sie fünf Rennen in Europa, und zwar in Nürnberg, Hockenheim, Croft (England), Keimola (Finnland) und am 11. Oktober nochmals in Hockenheim. Zugelassen sind Sportwagen, Prototypen und zweisitzige Rennwagen ohne Hubraumbeschränkung, die nur den überwiegend von Sicherheitsbestimmungen geprägten Vorschriften der Gruppe 7 entsprechen müssen. Der Sieger der Interserie wird nach einem internationalen Punktsystem ermittelt, bei dem nicht nur die Placierung im Gesamtklassement entscheidend ist, sondern auch Trainingszeiten und Rekordrunden honoriert werden. Die 10 Erstplacierten eines Rennens erhalten ihre Punkte nach der 12, 10, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 Staffel, die schnellste Runde des Rennens bringt 5 und die schnellste Trainingszeit 3 Punkte. Insgesamt also eine interessante Neuerung, die bestimmt eine Bereicherung des europäischen Motorsports darstellt. Bleibt nur zu wünschen, daß sich recht bald noch mehr großvolumige Wagen an diesen Rennen beteiligen, damit das Feld noch bunter und vielgestaltiger wird.
Am Nürnberger Dutzendteich hatte sich bereits ein recht illustres Feld eingefunden. Zwei McLaren M 12 mit Vic Elford und David Prophet, sechs Lola T 70 mit Teddy Pilette, Joakim Bonnier, Richard Attwood, Barrie Smith, Stefan Sklenar und Bernd Seidler, zwei Porsche 917 mit Jürgen Neuhaus und Gijs van Lennep, fünf Porsche 908 mit Pedro Rodriguez, Niki Lauda, Karl von Wendt, Helmut Marco und Helmut Leuze sowie drei Porsche 907, zwei 910 und ein Chevron BMW. Das interessanteste Auto, das allen anderen die Schau stahl, war jedoch der nagelneue March 707. Dieses Kraftpaket flößte Respekt ein - solange es stand. Lief aber erst der Motor und der Wagen bewegte sich, so war es fast furchterregend. Wie mit Urgewalten getrieben raste das Gefährt von dannen und gab allen das Nachsehen. Hier einige technische Details: Länge: 3960 mm, Breite: 2356 mm, Spur: 1729 mm vorne, 1625 mm hinten, Radstand: 2440 mm, Reifen: 23 Zoll breit, Bremsen: 12 Zoll (Girling), Motor: Chevrolet 8,3 l mit Chaparral Zylinderköpfen, Leistung: 720 PS bei 6800 U/min, Gewicht: 650 kg, Tankinhalt. 320 Liter, Verbrauch: ca. 100 Liter auf 100 km, Getriebe: 4 Gang (Hewland LG 600), Bauart: Monocoque. Dieses Kraftwerk auf Rädern, bei dem mehr als ein PS ein Kilo bewegen, wurde von Helmut Kelleners chauffiert. Gefahren konnte man nicht sagen, denn zunächst hatte man noch das „wowilldenndasgroßeautomitdem-kleinenhelmuthin“ - Gefühl. Erst später am Rennsonntag verbesserte sich die Zusammenarbeit offensichtlich.

DAS TRAINING

Eine freie und zwei gezeitete Trainingssitzungen standen den Fahrern zur Verfügung. Die Sonne schickte sengende Strahlen vom Himmel und nur unwillig schoben die Fahrer ihre Wagen aus dem kühlenden Schatten der Bäume am Teich auf den glühenden Asphalt. Manch sehnsüchtiger Blick wanderte zu den Zuschauern die in Segel- und Ruderbooten unweit des Ufers schaukelten und den Rennfahrern zuschauten. Aber der Wunsch, die Plätze zu tauschen, beruhte wohl auf Gegenseitigkeit und somit war doch ein gewisses Gleichgewicht zu verzeichnen. Was dem einen sein March, ist eben dem anderen seine Piraten-Jolle. Lediglich Helmut Kelleners hatte vorerst die Möglichkeit, mit dem March zu segeln, denn das Auto mußte erst einmal abgestimmt und eingestellt werden. Beobachtete man den Wagen beim Anbremsen einer Kurve, so schwamm dieser noch ganz schön. Fleißiges probieren und einstellen kosteten so manchen Tropfen Schweiß, brachten aber auch bald bessere Ergebnisse. Wer eine Uhr hatte und aufmerksam die Zeiten des inoffiziellen Trainings verfolgte, mußte bald feststellen, daß der March schneller sein konnte als die anderen Wagen auf der Strecke. Zwar reichte auch die Zeit von Kelleners noch keineswegs an den Vorjahresrekord von Redman, auf einem Lola gefahren, heran, aber es genügte doch, um die Konkurrenten in Schach zu halten. Nicht anders war es dann gegen Mittag beim ersten Pflichttraining.

Jürgen Neuhaus und Gijs van Lennep auf dem Porsche 917 trieben sich mit Vic Elford auf dem McLaren zusammen zu immer schnelleren Rundenzeiten an, und dann kurz vor Schluß ließ Helmut Kelleners nochmals die 720 Pferde seines March laufen und schnappte ihnen die schnellste Zeit weg. Die Uhren zeigten: Kelleners (March) 1.17,5, v. Lennep (Porsche 917) 1.18,2, Neuhaus (Porsche 917) 1.18,9, Moretti (Ferrari 512 S) 1.19,4, Elford (McLaren) 1.19,4 und Bonnier (Lola T 70) 1.21,0.

Das zweite offizielle Training am späten Nachmittag wurde nicht mehr von allen Fahrern wahrgenommen. Zu sehr hatte die Hitze den Fahrern und Monteuren zugesetzt. Zu ihnen gehörten Neuhaus und Kelleners. Wer jedoch meinte, seine Zeit verbessern zu können, der versuchte sich nochmals auf der Strecke. Und siehe da, es lohnte sich. Was man nicht mehr erwartet hatte, traf ein. Der Rundenrekord von Redman mit 1.17,3 wurde unterboten. Teddy Pilette auf einem Lola T 70 III B mit einem 6 Liter Chevrolet Motor, der rund 500 PS leistet, fuhr 1.17,0 = 184,2 km/h und sicherte sich damit die schnellste Trainingszeit. Auch v. Lennep und Elford konnten ihre Zeiten nochmals verbessern. Pedro Rodriguez auf einem Porsche 908 schob sich in wildem Drift in der Klasse bis 3 Liter noch vor den Berliner Herbert Schultze auf dem Alfa Romeo 33-3.

DAS RENNEN
1. Lauf

Am Renntag brannte die Sonne wieder unbarmherzig vom zunächst noch wolkenlosen Himmel auf die zahlreichen Zuschauer, die sich auf und rings um die riesige Steintribüne eingefunden hatten. Kalte Getränke, Sonnenöl und -Brillen waren sehr gefragt und man konnte sogar einige Bikinis, mit Inhalt, bewundern. Anschließend an ein Formel V-Rennen nahmen die Boliden Aufstellung zu ihrem ersten Durchgang über 41 Runden. Nach dem Fallen der Startflagge im Wagen des Rennleiters schießt sofort der rote March mit Kelleners aus der zweiten Startreihe hervor und setzt sich an die Spitze, noch bevor das Feld der 23 Wagen im Schlauch verschwunden ist. Allerdings kann er sich dieser Führung nicht lange erfreuen. Pilette auf dem Lola kann sich vorbeischieben, und auch v. Lennep. Bonnier dreht sich und fällt an das Ende des Feldes zurück.

Eine wilde Jagd startet Rodriguez. Von der achten arbeitet er sich in vier Runden auf die zweite Position vor und kann in der fünften Runde sogar die Führung übernehmen. Vom inzwischen bewölkten Himmel fallen einige vereinzelte Tropfen. In der Spitzkehre, die die beiden langen Geraden verbindet, soll es sogar so stark geregnet haben, daß die Fahrbahn total naß war. Das wird denn auch Rodriguez zum Verhängnis. Er dreht sich in der siebten Runde und fällt .auf Platz 5 zurück. Diesen Moment kann Neubaus benutzen, um sich an die Spitze zu setzen. Pilette war schon in der fünften Runde langsam an die Box gerollt. Ein Zylinder war ausgefallen. Durch die Ausfälle begünstigt ist auch Moretti auf dem Ferrari mit nach vorn gekommen. Durch brilliante Beherrschung des Wagens gelingt es ihm, obwohl er bisher international mit diesem Fahrzeug nicht bekannt war, den dritten Platz gegen den mit dem March andrängenden Kelleners zu verteidigen. Wie sich später herausstellt, kämpfte Kelleners nicht mehr so sehr mit dem Wagen, der recht gut abgestimmt worden war, sondern viel mehr mit seiner Kondition. In seinem Cockpit bildeten sich nämlich Gase, die ihn nach dem Rennen halb betäubt aus dem Wagen steigen ließen. Nun, das sind halt so Kinderkrankheiten. Nach der Hälfte des ersten Laufes gab es folgende Reihenfolge:
Neuhaus (Porsche 917), v. Lennep (Porsche 917), Moretti (Ferrari 512 S), Kelleners (March 707), Rodriguez (Porsche 908), Attwood (Lola T 70), v. Wendt (Porsche 908), Leuze (Porsche 908), Marco (Porsche 908), Schultze (Alfa Romeo 33-3).

 

 

 

Vic Elford war leider ab der 9. Runde ständiger Boxenkunde, da sich sein Zündkabel ständig löste, und er, wenn überhaupt, mit stotterndem Motor um den Kurs kreiste. Beinhart war der Kampf in der 3 Liter Klasse, wo die 908-Fahrer sich hart bekriegten. Nur Rodriguez hatte sich von dieser Gruppe absetzen können, er hatte das absolut schnellste Auto dieses Typs, und balgte sich dafür 14 Runden lang mit Attwood auf dem 7 Liter Lola herum. Erst als dieser in der 24. Runde mit gebrochener Halbachse liegenbleibt, kann sich Rodriguez seines fünften Platzes ungestört erfreuen. Schon zeitig hatten die führenden Wagen angefangen, das Feld zu überrunden. Bei einem dieser Überrundungsvorgänge gelang es dann in der 31. Runde van Lennep an Neuhaus vorbeizuhuschen. Nun tobte er auf und davon. Ständig an der Grenze fahrend, polterte er jede Runde mit dem rechten Vorderrad über den Randstein. 4 Sekunden konnte er mit dieser Fahrweise in 10 Runden auf Neuhaus gutmachen. Neuhaus nach dem Lauf: „Ich will nach einem Rennen das Auto unversehrt an Herrn Dr. Biermann zurückgeben können, darum ließ ich ihn davonbolzen“. Einschließlich Rodriguez wurden von den vier Spitzenreitern alle Fahrer überrundet.

2. Lauf

Eine cirka 1-stündige Pause wurde von allen Teams dazu benutzt, die Wagen kurz durchzuchecken. Dabei stellte sich an dem 917 von v. Lennep ein leichter Schaden an der Vorderachse heraus. Auch waren die Bremsen nicht ganz intakt. Fieberhaft gearbeitet wurde an dem March. Ein Riesenluftschlauch wurde notdürftig auf der vorderen Haube befestigt. Er sollte Kelleners die dringend notwendige Frischluft verschaffen.
Zwanzig Wagen nehmen zum zweiten Lauf der Reihenfolge ihres Zieleinlaufs nach dem ersten Durchgang zum Start Aufstellung. Drohende Gewitterwolken waren aufgezogen und als das Feld in der Einführungsrunde war, erhoben sich Sturmböen, die Programme, Hüte und Strohballen davonfliegen ließen. Der Rennleiter traf daraufhin drei wichtige und richtige Entscheidungen: Zunächst brach er die Einführungsrunde ab und ließ das Feld vor der Startlinie wieder stoppen, dann beauftragte er alle Clubmitglieder strafend zum Himmel zu schauen, was sich auch als erfolgreich erweisen sollte, und drittens befragte er wenig später die Fahrer, ob sie bei dem immer noch heftigen Wind starten wollten. Sie wollten - und als Lohn ließ dann auch der Wind weiter nach und der Regen zog drüber, ohne einen Tropfen zu verlieren.

Wieder legte Kelleners einen Traumstart aus der zweiten Reihe auf die Fahrbahn. Ist das ein Wunder, wo doch der Wagen von 0 bis 100 in 2,8 Sekunden beschleunigt. Neuhaus klemmt sich hinter ihn, muß ihn jedoch bald ziehen lassen. Van Lennep ist in diesem Lauf sichtlich langsamer und verliert pro Runde eine Sekunde auf Neuhaus. Bonnier und Moretti können ihn sogar einige Male bedrängen. Die Führungsposition kann - wie schon im ersten Lauf von Kelleners nicht lange gehalten werden. Gegen den an diesem Tag glänzend fahrenden Neuhaus verliert er wieder an Boden. In der 13. Runde geht Neuhaus auf der Gegengeraden an Kelleners vorbei und hat fünf Runden später schon 14 Sekunden Vorsprung. In der 20. Runde ergibt sich folgendes Bild: Neuhaus, Kelleners, v. Lennep, Bonnier, Rodriguez, Schultze, Lauda, v. Wendt, Leuze, Marco. In der nächsten Runde ist es dann aus für das neue „Superauto“. Mit gebrochener Antriebswelle rollt der Wagen langsam aus und Helmut Kelleners hat nur noch die Hoffnung, daß ihm der Rundenrekord erhalten bleibt und er damit einige Punkte erbt. Mit 1.16,6 = 185,1 km/h war er in der dritten Runde eine Zeit gefahren, die nur schwer zu unterbieten war. In der 22. Runde macht Neuhaus aber auch diese Hoffnung zunichte. 1.16,1 = 186,3 km/h zeigen die Uhren für ihn und an der Gesipa-Box herrscht eitel Freude. Ein Bravourstück vollbringt der Mexikaner Rodriguez nochmals in der 37 Runde, als er den Schweden Bonnier ausbremst und damit seinen 3-Liter-Wagen vor den 7 Liter Lola setzt. Mit 13 Sekunden Vorsprung beendet Jürgen Neuhaus diesen Lauf vor v. Lennep und sichert sich damit den Gesamtsieg und die ersten 12 Punkte (plus 5 für die Rekordrunde) in der Interserie. Dieser Sieg eines Porsche 917 4,5 Liter ist umso höher zu bewerten, als er über wesentlich größere und stärkere Wagen errungen wurde. Eine gute Ausgangsposition für Neuhaus und Porsche für die folgenden Läufe der Interserie.

Zwei kleine kritische Anmerkungen zu der ansonsten glänzend organisierten Veranstaltung, die erfreulicherweise jedes Jahr wieder ihr eigenes Flair ausstrahlt. Es ist nicht einzusehen, warum morgens ein Formel V-Rahmenrennen stattfindet und dann eine große Pause bis zu den 200 Meilen entsteht. Ein gestraffteres Programm wird den Zuschauern bestimmt noch besser gefallen.
Und zweitens muß bis zum nächsten Jahr auf den beiden langen Geraden im sogenannten Schlauch unbedingt mehr für die Sicherheit der Fahrer getan werden. Vic Elford sagte mir, dass es beängstigend sei, wenn man sich vorstellt, dass dort einmal ein Wagen „fliegen“ geht. Im Interesse aller sollte hier etwas getan werden.

 

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