Dicke
Brummer auf Deutschen Pisten
Pedro Rodriguez, mexikanischer
Teilnehmer an den 200 Meilen von Nürnberg, schien die lähmende
Hitze, die auch unseren Fussballern in Mexiko beschieden war, mit zum
Norisring gebracht zu haben. Denn bei Aussentemperaturen von rund 30 Grad
erreichte man in einem geschlossenen Porsche-917-Coupé gut und
gerne 50 Grad Celsius. Demzufolge war es Fahrern, wie Teddy Pilette, Joakim
Bonnier (Lola T70), Jürgen Neuhaus und Gijs van Lennep (Porsche 917)
recht deutlich anzusehen, welchen thermischen Bedingungen sie ausgesetzt
waren. Helmut Kelleners war sogar nach dem ersten 100-Meilen-Lauf einem
Zusammenbruch nahe, worauf man ihm eine bessere Frischluftzufuhr installierte.
Mit zwei großen Attraktionen wollte der Veranstalter aufwarten,
doch gelang bloss die eine vollständig, die andere nur halb. Die
Deutsche Auto-Zeitung meldete unter Helmut Kelleners einen March 707,
jenen Wagen, mit dem Chris Amon die CanAm-Meisterschaft bestreiten sollte:
ein Fahrzeug mit einem Chevrolet-Triebwerk mit 8,2 Liter Hubraum und 720
PS. Zu dieser Norisring-Premiere waren eigens Max Mosley und Robin Herd
- zwei Mitbegründer der Firma March - nach Nürnberg gekommen,
um einerseits dem verheissungsvollen Debüt beizuwohnen, und andererseits
mit Teamchef Lehmann die Rennleitung zu übernehmen.
Die zweite Attraktion sollte ein 5-Liter-917 der Porsche-Konstruktionen
Salzburg mit Vic Elford am Steuer werden, aber leider entschied man sich
bei Porsche, doch nur in der Markenweltmeisterschaft zu starten. Dennoch
sah man Vic Elford am Start in einem von der Paul Watson Racing Organisation
gemeldeten McLaren M 12, womit man die 70000 Zuschauer halbwegs entschädigen
konnte. Pedro Rodriguez war ebenfalls mit einem halboffiziellen Werks-Porsche
908/2 am Norisring. Gemeldet war er zwar von Pedro selbst, betreut wurde
er aber von Porsche Stuttgart. Das Gesipa-Team schickte den 4,5-Liter-Porsche
917 unter Jürgen Neuhaus. Ebenfalls ein 4,5-Liter 917 wurde vom Wihuri
Racing Team gemeldet, von dem Mann also, von dem man sagt, er könnte
den gesamten Porsche-Rennstall kaufen. Gefahren wurde der Wagen von Gijs
van Lennep. Hinzu kamen der McLaren M12 von David Prophet und der Ferrari
512 S mit Gianpiero Moretti am Steuer, sowie die bulligen Lola T70 Mk.3B
von Joakim Bonnier, Teddy Pilette und Richard Attwood. Eine Reihe von
3 Liter Porsche mit den Fahrern Dr. Marko, Karl v. Wendt, Helmut Leutze
und Niki Lauda und ein sehr schneller Alfa Tipo 33.3 unter Herbert Schultze,
der von Alfa Deutschland gemeldet, aber von Autodelta betreut war, rundeten
dieses erstklassige Feld ab.
Mit Spannung erwartete man das Erscheinen des March 707. Nach anfänglichen
Schwierigkeiten bekam Helmut Kelleners den Boliden in den Griff und dominierte
mit einer Trainingszeit von 1’17“5 = 183 km/h. Zum Vergleich: der bestehende
Rundenrekord von Brian Redman aus dem Vorjahr, aufgestellt mit einem Lola
T70, war 1’17“3. Die beiden Porsche 917 von Neuhaus und van Lennep nahmen
sich im ersten Pflichttraining eine Zehntelsekunde nach der anderen ab,
bis schliesslich van Lennep 1’18“2 und Neuhaus 1’18“5 erreichten und der
Jagerei ein Ende machten.
Moretti auf dem Ferrari 512 S, der sich in der S-Kurve drehte, beendete
das erste Training in 1’19“1.
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Was
man eigentlich nach dem ersten Training nicht mehr erwartete, trat dann
im zweiten doch noch ein: gleich drei Fahrzeuge blieben unter der gesetzten
Marke des March 707 von Kelleners. Teddy Pilette gelang es auf dem von
VDS-Team Belgien gemeldeten Lola T70 mit 1’17“0, was einem Stundenmittel
von 184,2 km/h entspricht, die pole position und gleichzeitig einen neuen
inoffiziellen Rundenrekord herauszufahren. Auch Gijs van Lennep steigerte
sich erneut und stellte den Rundenrekord von Brian Redman (1’17“3) aus
dem Vorjahr ein, was für ihn Startplatz zwei bedeutete. Der Dritte
im Bunde der unter 1’17“5 fahrenden Piloten hiess Vic Elford. In Windeseile
reparierte man die linke Seite des McLaren, so dass Elford noch zum zweiten
Training antreten konnte. Seine Zeit: 1‘17“4. Bei den Dreiliter-Prototypen
konnte sich lediglich Pedro Rodriguez von 1’22“2 auf 1’20“9 verbessern,
womit er sich noch vor Herbert Schultze auf dem Alfa 33.3 setzte, der
1’21“3 erzielte.
Gleich zu Beginn des Rennens bekamen Gijs van Lennep, Teddy Pilette und
Vic Elford die fürchterliche Beschleunigungskraft des March 707 zu
spüren. Nachdem Rennleiter Leistner - aus der Einführungsrunde
zurückkommend - das Rennen freigab, schoss Kelleners förmlich
aus der zweiten Startreihe nach vorne. Zur Information sei gesagt, dass
der March 707 mit einer Beschleunigung von 0-100 km/h in 2,8“ wohl zu
den schnellsten Rennwagen der Welt zählt.
Aber bald schon, genau gesagt nach der zweiten von 41 zu fahrenden Runden,
stellte sich heraus, dass erstens der March in Kurven und engen Passagen
den Porsche 917 unterlegen war, zweitens aber, und das ist wohl verständlich,
Kelleners noch nicht so recht mit dem kraftstrotzenden Boliden zurechtkam.
Nach der dritten Runde hiess die Reihenfolge: Pilette (Lola), van Lennep
(Porsche), Neuhaus (Porsche), Elford (McLaren) und in fünfter Position
Rodriguez (Porsche). Rodriguez, dessen Wagen im Training nicht den besten
Eindruck hinterliess, zeigte sich im Rennen von seiner besten sprich Weltklasse-Seite,
indem er in Runde fünf mit dem kleinen Porsche 908 die Spitze übernahm,
die er auch noch in der sechsten Runde innehatte, aber schliesslich den
PS-starken Porsche 917 von Neuhaus und van Lennep die Leaderstellung nicht
mehr streitig machen konnte. Dazu kam noch das Pech, dass Rodriguez sich
in der Spitzkehre drehte und auch Moretti (Ferrari) und Elford (McLaren)
passieren lassen mußte. Lola-Pilot Jo Bonnier und Helmut Kelleners
mussten bald die Boxen aufsuchen, um die Mechanik überprüfen
zu lassen, und auch Vic Elford blieb von diesem Übel in der achten
Runde nicht verschont. Aber auch der Trainingsschnellste, Teddy Pilette,
musste nach der siebten Runde seinen Lola mit Maschinenschaden beiseitestellen.
In der 30. Runde trat der erste Lauf in seine entscheidende Phase, als
van Lennep noch einige Reserven frei machen konnte, mit 1‘16“9 einen neuen
Rundenrekord fuhr, dabei zum führenden Neuhaus aufschloss, in der
32. Runde die Führung übernahm und sie bis zum Schluss nicht
mehr abgab, gefolgt von Neuhaus, Moretti, Kelleners und Rodriguez, der
damit als bester 3-Liter vor Niki Lauda (Porsche 908) und Herbert Schultze
abgewunken wurde.
Völlig erschöpft entstiegen die Piloten ihren Cockpits, Kelleners
war sogar einem Zusammenbruch nahe. In der Folge liessen sich die meisten
Fahrer eine zusätzliche Frischluftzufuhr installieren, so auch Helmut
Kelleners, an dessen March vom Bug bis zum Cockpit hinauf ein Luftrohr
befestigt wurde.
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Doch
alle Mühe war umsonst! Es blieb zwar recht warm, doch der Wettergott
entschied sich für sturmartige Böen und drohte mit Regen. Laut
Zieleinlauf des ersten wurde die Startaufstellung für den zweiten
100 Meilen-Lauf vorgenommen.
Die erste Startreihe bildeten van Lennep und Neuhaus mit ihren Porsche
917, während der Ferrari mit Moretti und der March von Kelleners
mit Startreihe zwei vorlieb nehmen mussten. Aber schon in Startreihe drei,
auf Startplatz fünf und sechs, fanden sich die ersten 3-Liter-Porsche
unter Rodriguez und Niki Lauda ein. Joakim Bonnier musste sich, bedingt
durch seinen Boxenstop, mit Startreihe fünf und Vic Elford sogar
mit der vorletzten Startreihe begnügen.
Genau wie beim ersten 100-Meilen-Heat praktizierte Kelleners aus der zweiten
Reihe einen Blitzstart und sah sich am Ende der Zielgeraden vor Neuhaus,
Rodriguez, van Lennep, Bonnier und dem Ferrari von Moretti in Führung,
die er bis zur 13. Runde nicht abgab. Doch der aufholende Jürgen
Neuhaus aus Wuppertal, der an diesem Tag in Hochform zu sein schien, machte
ab der 10. Runde auf Kelleners pro Runde eine Sekunde gut, sodass schliesslich
in der 14. Runde der Porsche 917 die Führung übernahm.
In der 21. Runde war es dann so weit: der March 707 blieb in der S-Kurve
mit gebrochenen Halbwellen liegen, woraufhin Gijs van Lennep Position
zwei übernahm, gefolgt von Bonnier und Rodriguez, der noch vom Ausfall
des Moretti-Ferrari profitierte.
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