Endlich
wieder große Motorradrennen!
Erstmals seit dem letzten großen Rennen vom21.7.1957 kämpften
am 17.7.1966 am Norisring die Lizenzfahrer wieder in allen Soloklassen
gegeneinander. Das ging terminlich nur, weil in diesem Jahr zwei Rennwochenenden
in Nürnberg eingeplant wurden. So konnten sich die Motorräder
das Wochenende mit den GT- und Sportwagen teilen, während beim
zweiten Rennwochenende, das zwei Monate später stattfand, die Autos
wieder unter sich blieben.
50000 Zuschauer waren bei strahlendem Sonnenschein am Sonntag an den
Dutzendteich gekommen. Sie sahen gute Motorradrennen in den Lizenzklassen
50, 250, 500ccm Solo und in der Gespannklasse. Bei den Beiwagen begeisterte
sie vor allem der ständige Dreikampf zwischen den vierfachen Weltmeistern
Deubel/ Hörner, den zweifachen Weltmeistern Scheidegger/Robinson
und dem Außenseiterduo Auerbacher/Kalauch. Letztere führten
sogar sensationell die ersten fünf Runden vor Deubel/Hörner
und Scheidegger/Robinson. Jedoch muteten sie ihrem Gespann etwas zuviel
zu, mußten deshalb einmal kurz an die Boxen, was natürlich
der Routinier Deubel ausnutzte und die Spitze übernahm.
Dicht dahinter drängelten aber auch Scheidegger/Robinson immer
mehr. Sie steigerten ihre Fahrweise derart, daß sie in jeder Runde
etwa zwei bis drei Zehntelsekunden schneller wurden und Deubel sie schließlich
passieren lassen mußte.
Scheidegger behielt sein Tempo, aber nun war es Deubel, der das Tempo
forcierte. Trotzdem gelang es Scheidegger/Robinson, die Spitze weiterhin
zu behalten. Er fuhr mit einer Rekordrunde von 134.9 km/h neue Gespannbestzeit.
Deubels Angriffsversuche setzte erst eine langsam nachlassende Kupplung
an seiner Maschine ein Ende. Er mußte sein Tempo etwas drosseln,
was die bisherigen dritten Enders/ Mannischaff ausnutzten und sich auf
den zweiten Platz vorschoben.
Deubel hatte schließlich noch alle Hände voll zu tun, sich
gegen Auerbacher/ Kalauch durchzusetzen. Zu seinem Glück war das
Rennen bald zu Ende, dadurch reichte es knapp zu einem dritten Platz
vor Auerbacher/Kalauch. Erster wurden Scheidegger/Robinson vor Enders/Manni-schaff,
alle mit BMW-Boxermotoren. Eingeweihte bezeichneten dieses Rennen im
Nachhinein als das beste Beiwagenrennen, das jemals auf dem Norisring
ausgetragen wurde. Sicher hatten sie nicht ganz unrecht.
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Der Lauf der 50ccm „Schnapsglasklasse" wurde zur klaren Angelegenheit
des Vizeweltmeisters Hans-Georg An-scheidt. Von Start weg übernahm
er sofort die Führung und gab sie bis ins Ziel auch nicht mehr ab.
Um den zweiten Platz stritten sich zunächst der Mühlackerer Kunz,
der Ratinger Thurow und der Ludwigsburger Dittrich, alle auf Kreidler.
Doch bereits in der dritten Runde konnte sich Dittrich durchsetzen. Derweilen
zog Anscheidt bereits mit einem enormen Vorsprung seine Runden und fing
an, die ersten Teilnehmer unaufhaltsam zu überrunden.
Selbst als er das Mittelfeld überrundet hatte, nahm sein Vorwärtsdrang
kein Ende. Er näherte sich nun der Spitzengruppe um Platz zwei, in
der sich Kunz, Dittrich und Thurow befanden!
Kunz hatte mittlerweile Dittrich überholt und lag auf Platz zwei. Anscheidt
überholte auch noch Thurow. Dann kam das Ziel. Die Zweit- und Drittplazierte
Kunz und Dittrich waren die einzigen, die nicht überrundet wurden.
Kunz hatte einen Rückstand von unglaublichen 65 Sekunden auf Anscheidt!
Und Anscheidt gab nach dem Rennen sogar an, er habe seine Maschine gar nicht
voll ausgefahren! Was wäre wohl gewesen, wenn er das gemacht hätte?
Ähnlich wie das vorausgegangene Rennen gestaltete sich auch der 250er
Lauf. Von Anfang an führte hier der Deutsche Meister Günter Beer
mit seiner Honda. Schon nach der zweiten Runde hatte er einen Vorsprung
von guten fünf Sekunden auf seinen Verfolger, dem Amerikaner Richmann
auf Bultaco. Zwei Runden später trennten Beer schon 20 Sekunden von
der restlichen Meute, mittlerweile angeführt von dem Iren Coulter.
Coulter konnte sich sogar etwas an den Deutschen Meister heranpirschen,
der Abstand betrug zeitweise nur noch 15 Sekunden. Doch als dies Beer bemerkte,
gab er nochmal kräftig Gas, stellte den alten Vorsprung wieder her
und gewann nach 26 Runden. Zweiter wurde Coulter vor Richmann, der sich
am Ende mit Ohling-schläger noch einen sehr harten Zweikampf lieferte.
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Im letzten Rennen
gingen die Halbliterfahrer an den Start. Anfangs sah es so aus, als würde
dieses Rennen etwas spannender verlaufen, denn der hochfavorisierte Italiener
Silvio Grasetti mit seiner Ex-Werksbianchi kam sehr schlecht vom Start
weg. Das nützte Karl Hoppe aus und passierte den ersten Rundendurchlauf
als Führender. Allerdings saß ihm Grasetti schon im Nacken,
es war nur eine Frage der Zeit, bis der Italiener die Führung übernahm.
Das geschah in der zweiten Runde. Nun war der Weg frei, Grasetti fuhr
auf und davon. Er legte ein solch flottes Tempo vor, daß er bereits
in der fünften Runde die ersten Fahrer überrundete. Am Ende
des Rennens hatte er bis auf den Zweiten und Dritten, den Österreicher
Lenz und den Bremer Scheimann, alle Teilnehmer überrundet! Der anfangs
führende Karl Hoppe mußte wie der einstige Deutsche Meister
Butz das Rennen vorzeitig beenden.
Mit diesem Rennen ging ein großer Renntag in Nürnberg zu Ende,
der wieder zeigte, daß der Norisring auch für Motorräder
noch eine Attraktion darstellte, was die Zuschauer durch zahlreiches Erscheinen
honorierten. Unglücklich gewählt war nur der Termin, denn außer
dem Seitenwagenrennen gab es in allen Klassen Parallelrennen an anderen
Orten.
(aus "Als auf dem Norisring noch Motorräder
fuhren" von Thomas Reinwald)
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