ADAC-Norisring-Cup 76

Der Mut zum Risiko des Motorsport-Clubs Nürnberg, zum ersten Mal in Deutschland ein internationales Formel 750-Rennen zu veranstalten, hat sich gelohnt.
Rennleiter, Organisator und Ex-Sechs-Tage-Fahrer Gernot Leistner war es (nicht zuletzt durch Einschaltung von Volker Rauch vom MOTORRAD und dessen internationaler Kontakte) gelungen, Fahrer wie Agostini, Read, Cecotto, Hennen und andere mehr für den nicht gerade idealen Norisring zu verpflichten.
Sicherlich halfen die Erfüllung der Startgeldforderungen und das für deutsche Verhältnisse sehr hohe Preisgeld mit, daß die Startzusagen auch der Asse kamen. Sowohl die F 750-Konkurrenten (1. Platz 5000,- DM) wie auch die Fahrer, die um deutsche Meisterschaftspunkte kämpften (1500 DM für einen ersten Platz), konnten zufrieden sein.
Aber nicht nur bei der Verpflichtung der Fahrer bewies der Veranstalter Sachkenntnis, sondern auch bei ihrer Betreuung. Auch die Anlage des Fahrerlagers und die ausgezeichnete Arbeit der Streckenposten machten offenkundig, daß man es noch heute in der ehemaligen Motorradstadt Nr. 1 versteht, Motorradrennen auf internationalem Niveau zu organisieren. Wo hat es das in der Vergangenheit gegeben, daß sich ein Phil Read in einem Brief für die hervorragende Organisation, den perfekten Ablauf und das sachkundige, über alle Maßen begeisterte Publikum bedankte und sagte, daß er am liebsten das ganze Jahr über in Nürnberg fahren würde?
Aber auch die über 50.000 Zuschauer wurden gut bedient. So informierte sie ein umfangreiches Programmheft über den Stand der Deutschen Meisterschaft, brachte Biographien der Spitzenfahrer und gab einen Überblick über den Stand der heutigen F 750-Renntechnik.
Dazu konnte man am Sonntag für ganze 10 Pfennig eine Sondernummer der „Nürnberger Nachrichten" erwerben, um sich umfassend über Trainingszeiten, Fahrerlager-Tratsch und manche Hintergründe zu informieren. Das wäre sicherlich einer Nachahmung bei anderen Großveranstaltungen wert, um auch dem nicht so sehr mit der Materie vertrauten Zuschauer aufschlußreichen Einblick in das Rennsportgeschehen zu vermitteln. Um auch in der Mittagspause keine Langeweile aufkommen zu lassen, wurde der in Diensten der Zündkerzenfirma Champion stehende englische Stuntman Dave Taylor verpflichtet, der eine halbe Stunde lang akrobatische Einlagen auf dem Motorrad zum besten gab.
Daß die nur 2,3 Kilometer lange Strecke mit ihren nur vier Kurven, davon zwei Spitzkehren, die Fahrer und Maschinen vor nicht unerhebliche Probleme stellte, war vorauszusehen. Phil Read ging gleich im ersten Training der Motor fest, er konnte jedoch die thermischen Probleme bis zum Abschlußtraining in den Griff bekommen. Schlechter war Dieter Braun dran, der immer noch unter den Folgen seiner Sturzverletzung leidet. Mehrere von ihm befragte Spezialisten meinten, er müsse sein um fünf mm auseinanderklaffendes Schultergelenk operieren lassen und eine halbjährige Pause in Kauf nehmen, was natürlich für ihn während der Saison nicht in Frage kommen kann. So ist seine letzte Hoffnung der belgische „Wunderdoktor" (der auch Barry Sheene nach seinem bösen Sturz letztes Jahr in Daytona einigermaßen kurierte), den er nach dem WM-Lauf in Belgien konsultieren möchte. Daß ihm sein Motor auch schon im ersten Training festging und er den Formel-Lauf mit der 350er Yamaha bestreiten mußte, trug sicherlich nicht zur Steigerung seines Selbstbewußtseins bei. Der Wunderknabe aus Venezuela, Johnny Cecotto, mußte ebenfalls das Training mit der 350er Yamaha absolvieren, nachdem seine 750er trotz intensiven Arbeitens nicht fertig wurde. Nachdem es am Sonntag früh doch noch klappte, räumte Rennleiter Leistner ihm und einigen anderen Fahrern noch vor Rennbeginn ein halbstündiges Sondertraining ein, um sich mit dieser Maschine an den Kurs zu gewöhnen und um die Slickreifen einzufahren.
Genauso wie hier die Fahrer ein offenes Ohr beim Veranstalter fanden, so fanden sie es auch, als sie den Vorschlag machten, die Distanz von 50 auf 45 Runden zu verkürzen, um das lästige und nicht ungefährliche Nachtanken zu vermeiden.

F 750: 1. Lauf
Trainingsschnellster auf der Suzuki RG 500 war Pat Hennen (0.59,3) vor John Dodds und Read. Erfreulich für Hennen, der in den USA zur allerersten Garnitur der F 750-Fahrer gehört (Dritter in Daytona 76) und dem man vor einigen Wochen beim Maipokalrennen in Hockenheim eine Absage erteilte! Den besten Start erwischt Agostini vor Cecotto und Read. Cecottos Fahrt dauert allerdings nur sechs Runden, dann muß er mit defekter Kupplung ausscheiden. Pat Hennen, nach dem Start noch an sechster Stelle, übernimmt Platz zwei von Cecotto und schließt Runde um Runde dichter zum führenden Agostini auf. Er entreißt ihm nach kurzem Kampf die Führung, fährt absolute Bestzeit und gewinnt unangefochten mit über zehn Sekunden Vorsprung diesen Lauf. Die Überraschung des Tages aber: der Franzose Roger Ruiz. Er verdrängt Read vom dritten Platz und fährt bis ins Ziel 24 Sekunden Vorsprung gegenüber dem mit Bremsproblemen kämpfenden Read heraus. Erst ein Blick im Fahrerlager auf die Bremsbeläge von Read zeigte, daß er praktisch die letzten zehn Runden mit Metall auf Metall, also ohne Beläge bremste.
Pech hatte auch Länsivuori, dem, an sechster Stelle liegend, in Runde 22 die Kette heruntersprang, wodurch er ausscheiden mußte. Er hätte sicherlich noch für Spannung auf den vorderen Plätzen gesorgt. Fünfter als letzter nicht überrundeter Fahrer wurde Dodds vor den schon zwei Runden zurückliegenden Konkurrenten Nielsson, Fau und Fernandez.

 

 

F 750: 2. Lauf
Zum zweiten Lauf traten Cecotto und Braun nicht mehr an. Verständlich bei dem Langen aus Hermaringen durch seine starken Schmerzen im Schultergelenk. Unverständlich bei Jungstar Cecotto, der sich nicht einmal der Mühe unterzog, seine Maschine genau zu untersuchen und wieder herzurichten. Ein kurzes und teures Gastspiel für den Veranstalter, das der gute Johnny allerdings nicht mehr oft machen dürfte, wenn er nicht Veranstalter wie Zuschauer vor den Kopf stoßen will. Diesmal erwischt Dodds vor Agostini, Evans und Ruiz den besten Start. Er kann allerdings dem Drängen von Ago und Evans nicht lange standhalten und fällt schon in der zweiten Runde auf den dritten Platz zurück. Agostinis härteste Konkurrenten aus dem ersten Lauf, Hennen und Read, liegen gleich zu Beginn weit zurück. Read scheidet bereits in der dritten Runde mit Getriebeproblemen aus, während Hennen kaum vom Start weg kam und nach mehrmaligen Boxenstopps wegen falscher Vergasereinstellung ausscheidet.
Solchermaßen ungefährdet zieht Agostini gleichmäßig seine Runden, fährt wie nebenbei noch die absolut schnellste Zeit mit 58,1 Sekunden und gewinnt ganz überlegen diesen Lauf. Er wird damit Gesamtsieger. Ruiz verdrängt in der 15. Runde den in diesen Lauf ganz weit vorn liegenden Evans und wird als Zweiter abgewinkt.
Ohne Probleme ging's in diesem Lauf für Länsivuori ab, der sich auf Rang vier schieben konnte, noch vor dem schon einmal überrundeten Dodds. Sechster wurde Jack Findlay vor Fau und Nielsen und dem eine weitere Runde zurückliegenden Bengtsson.


Ergebnis: F 750 1. Lauf
1. P. Hennen (USA) Suzuki in 44.39,7 = 139,03 km/h; 2. G. Agostini (l) Yamaha in 44.50,2 = 138,49 km/h; 3. R. Ruiz (F) Yamaha in 45.04,3 -137,77 km/h; 4. P. Read (GB) Yamaha in 45.28,6 = 136,55 km/h; 5. J. Dodds (D) Yamaha in 45. 40,0 = 135,97 km/h; zwei Runden zurück: 6. B. Nielsen (DK) Yamaha; 7. B. Fau (F) Yamaha; 8 P. Fernandez (F) Yamaha; 9. J. Findlay (F) Yamaha; 10. J. Bengtsson (S) Yamaha. Schnellste Runde: P. Hennen (Suzuki) in 0.58,4 = 141,52 km/h,

Ergebnis: F 750 2. Lauf
1. G. Agostini in 44.39,4 = 139,03 km/h; 2. R. Ruiz in 45.08,1 = 137,56 km/h; 3. P. Evans (USA) Yamaha in 45.13,7 = 137,27 km/h; 4. T. Länsivuori (SF) Suzuki in 45.33,7 = 136,30 km/h; eine Runde zurück: 5. J. Dodds; 6. J. Findlay; 7. B. Fau; 8. B. Nielsen; zwei Runden zurück: 9. J. Bengtsson; 10. E. Schwemmer (D) Honda.

Schnellste Runde: G. Agostini (Yamaha) in 0.58,1 = 142,74 km/h.

R. Reutter



Klasse bis 350 ccm:
Von den 46 Fahrern, die das Training absolvierten, treten am Sonntag nur 28 zum Rennen an. Mehr sind nicht zugelassen. Die Franzosen sind in dieser Klasse sehr stark. Allen voran Patrick Fernandez, der Trainingsschnellste. Kork Bellington erwischt den besten Start mit Fernandez und Dodds im Windschatten. Für John Dodds dauert der Kampf in der Spitzengruppe 22 Runden, dann bekommt er Schwierigkeiten mit seiner Maschine und fällt langsam zurück bis auf Platz 22. Die Spitzengruppe, nun aus Fernandez und Bellington bestehend, setzt sich schnell ab. Nur Bernard Fau hält kurzzeitig noch mit. Die Schärfe der Auseinandersetzung um die Führung nimmt immer mehr zu. Erst in der letzten Runde auf den letzten Metern kann Fernandez das Rennen für sich entscheiden. Bellington, der insgesamt 37 Runden der 45 zu fahrenden führt, wird Zweiter. Bernard Fau erreicht ohne Bedrängnis den dritten Platz. Auch Victor Soussan und Christian Huquet ziehen einsam ihre Runden an vierter beziehungsweise fünfter Stelle. Alain Terras arbeitet sich im letzten Drittel auf Platz sechs vor, den bis dahin der erste deutsche Fahrer, Horst Pleyer, hat. Pleyer fährt ein hervorragendes Rennen. Der siebte Platz für ihn ist gleichzeitig der erste in der deutschen Meisterschaftswertung. Sein härtester Verfolger um die Meisterschaft, Anton Mang, wird hinter ihm Achter. Mang muß einige harte Gegner wie Franz Rau, Walter Hoffmann und den sehr stark fahrenden Belgier Etienne Geeraerd bezwingen, bis er diesen Platz im Ziel hat.


Ergebnis Klasse bis 350 ccm:
1. Patrick Fernandez (F) Yamaha in 46.18,4 = 134,10 km/h; 2. Kork Bellington (GB) Yamaha in 46.19,0 min; 3. Bernard Fau (F) Yamaha in 47. 09,4; 4. Victor Soussan (F) Yamaha; 5. Christian. Huquet (F) Yamaha; 6. Alain Terras (F) Yamaha; 7. Horst Pleyer (Fernwald) Yamaha; 8. Anton Mang (Inning) Yamaha; 9. Bernd Tuengethal (Solingen) Yamaha; 10. Franz Rau (Neuhofen) Yamaha.

Schnellste Runde: Patrick Fernandez, Yamaha, in 1.00,1 min

 

 

Klasse bis 500 ccm:
Die vermutete Auseinandersetzung in der Halbliterklasse zwischen Phil Read und Teuvo Länsivuori bestätigt das Trainingsergebnis. Ab der dritten Runde hängen sie dann beieinander. Read in Führung und Länsivuori am Hinterrad von Read. Die Auseinandersetzung dieser beiden Weltklassefahrer begeistert das Publikum über 30 Runden, bis Länsivuori etwas zurückfällt. Read gewinnt die Klasse bis 500 ccm ganz überlegen. Er kann sogar in den letzten Runden auf Schonung fahren. Länsivuori wird mit 23 Sekunden Rückstand Zweiter. Victor Soussan, nach seinem vierten Platz bei den 350ern, wird hier Dritter. Er verdrängt in der zehnten Runde den anfangs führenden Borge Nielsen von diesem Platz. Den vierten Platz erreicht Dieter Braun, der immer noch sehr gehandicapt ist durch seine Sturzverletzungen. Unter diesen Bedingungen eine hervorragende Plazierung vor Borge Nielsen, dem Fünften. Christian Huquet ist in wenige Kämpfe verwickelt, bis er an sechster Stelle einläuft. Die Entscheidung um die deutsche Meisterschaft dieser Klasse muß zwischen Helmut Kassner und Walter Hoffmann fallen. Bis zur 23. Runde scheint es Hoffmann zu schaffen. Der Norisring macht aber vielen Fahrern Sorgen in bezug auf Bremsen. Manch guter Platz geht durch schlechte oder gar keine Bremse verloren. Dies trifft auch Hoffmann. So muß er Kassner, der vor allem in den letzten 15 Runden sehr viel gut macht, vorbeilassen. Der siebte Platz von Helmut Kassner bringt ihm erneut den Titel für 1976 in dieser Klasse. Pech hat auch Franz Heiler, der in der ersten Runde stürzt und viel Zeit verliert, bis er weiterfahren kann. Dadurch verliert er seine Chancen um den Titelkampf. Auch vom Pech verfolgt ist Horst Lahfeld, der wieder einmal durch Getriebeschwierigkeiten seinen zu Anfang sechsten Platz dadurch verliert.


Ergebnis Klasse bis 500 ccm:
1. Phil Read (GB) Suzuki in 46.23,4 = 133,85 km/h; 2. Teuvo Länsivuori (SF) Suzuki in 46. 46,6; 3. Victor Soussan (F) Yamaha in 47.12,6; 4. Dieter Braun (Hermaringen) Suzuki; 5. Borge Nielsen (DK) Yamaha; 6. Christian Huquet (F) Suzuki; 7. Helmut Kassner (Karlsfeld) Suzuki; 8. Bernd Tüngethal (Solingen) Yamaha; 9.
Jean Philippe Orban (B) Yamaha; 10. Tateno
Chujiro (J) Yamaha

Schnellste Runde: T. Länsivuori, Suzuki, in 1.00,4 min = 137,99 km/h.

Klasse bis 500 ccm mit Seitenwagen:
Die Trainingszweiten, Schwärzel/Huber, übernehmen ab der ersten Runde die Führung. In einem bestechenden Fahrstil auf dem ausgezeichnet laufenden EB-König-Gespann ziehen sie ihre Runden. Die Zweiten, Schauzu/Kalauch auf ARO, fahren ab der vierten Runde immer an zweiter Position, gefährden aber die Spitzenreiter nie. Auch das zweite ARO-Gespann mit Schilling/Gundel fährt mit Abstand zu ihren Markenkollegen. Gerade, als die Weltmeister Steinhausen/Huber die vor ihnen liegenden ARO-Gespanne angreifen wollen, müssen sie mit Fahrwerksproblemen an der Radaufhängung und Bremse in der neunten Runde aufgeben. In der 16. Runde müssen Schilling/Gundel den dritten Platz an Venus/Bittermann abtreten, und zwei weitere Runden später gehen auch noch die Schweizer Holzer/Meierhans an dem ARO-Gespann vorbei. Holzer/ Meierhans bedrängen über sechs Runden lang in einem mitreißenden Kampf die nun vor ihnen liegenden Venus/ Bittermann. In der 27. Runde haben die Schweizer es geschafft. Zehn Runden vor Schluß müssen Venus/Bittermann die ARO-Fahrer Schilling/Gundel wieder vorlassen. Sie haben anscheinend bei dieser harten Auseinandersetzung der Maschine doch etwas zuviel abverlangt. Schilling/Gundel gehen in der Schlußphase auch noch an Holzer/Meierhans ran, aber es gelingt ihnen nicht, den verlorenen Platz wieder zurückzuerobern. Als die Fahrer in dieser Reihenfolge in die letzte Runde gehen, scheinen die Plätze verteilt zu sein. Die Überraschung ist groß, als die so sicher fahrenden Schwärzel/ Huber aus der Spitzkehre nicht mehr kommen. Eine dreiviertel Runde nur trennt sie vom Sieg, aber der Zahnriemen am Drehschieber ist gerissen und der greifbar nahe Sieg ist leider dahin. Schauzu/Kalauch gewinnen dieses sehr interessante Rennen. An der übrigen Reihenfolge hat sich nichts mehr verändert. Ohrmann/Grube zeigen über die gesamten 40 Runden hohen Einsatz. Sie verteidigen ihren sechsten Platz in der ersten Runde bis zum Schluß erfolgreich. Durch den Ausfall der Spitzenreiter wird es sogar noch der fünfte.
Die Meisterschaftswertung werden wir nach der Bestätigung der einzelnen Ergebnisse durch die OMK bringen.


Ergebnis Klasse Gespanne:
1. Schauzu/Kalauch (Siegen) Aro 500 in 45.18,7 = 121,79 km/h; 2. Holzer/Meierhans (CH) Yamaha in 45.41,1; 3. Schilling/Gundel (Leimen) Aro 500 in 45.44,8; 4. Venus/Bittermann (Pfarrkirchen) Eckl-König; 5. Ohrmann/Grube (Göttingen) Yamaha; 6. Meier/Gehring (CH) Yamaha; 7. Trachsel/Staehli (CH) Yamaha; 8. Rudisuli/ Asper (CH) König; 9. Huber/Seib (Oberkirch) König; 10. Thevissen/Esch (Leverkusen) König.

Schnellste Runde: Schauzu/Kalauch, Aro 500, in 1.05,2 = 127,37 km/h.

H. Allgeyer


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