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Meilen von Nürnberg, Norisring, 27.6.1976.
4. Lauf Deutsche Rennsportmeisterschaft
„Die
Bilder bitte alle nach Eindhoven zu meiner Frau!" witzelte Toine
Hezemans, als die Fotografen ihn umringten. Er war gerade seinem Turbo
entstiegen und fing einen fröhlichen Plausch mit der seinen Startplatz
markierenden Hostess an. Er hatte allen Grund, am Start der lustigste
zu sein: erstens ist er sowieso meist lustig, zweitens hatte er zuvor
den GT-Europameisterschaftslauf gewonnen, drittens stand er auf Pole-Position
(55.8) und viertens sprach nichts dagegen, daß er seinem ärgsten
Widersacher, Bob Wollek, auch bei diesem 4. Lauf um die deutsche Rennsportmeisterschaft
das Abgasrohr zeigen würde.
Man muß wohl schon ein
Kerl wie Hezemans sein, wenn man immer noch lächeln kann, während
die Siegerehrung stattfindet und man selbst mit einem Streckensicherungswagen
zu den Boxen zurücktransportiert wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte
die Rennsportmeisterschaftstruppe die zwei mörderisch heißen
70-Runden-Rennen auf dem Nürnberger Reichsparteitaggelände,
dem bremsenfressenden Norisring, hinter sich gebracht. Die Meisterschaftstruppe
- das waren in der Zweiliterdivision, um nur diejenigen zu nennen, die
für die vordersten Plätze in Frage kamen - die drei Zakspeed-
und der Grab-Escort, drei GS-BMW, der Schnitzer-2002 und der ,,Werks"-Kadett.
Aber auch das übrige Feld konnte sich sehen lassen: da waren die
16-Ventiler von Herrmann, Pennartz, Wagner und Roppes sowie Wolfs Spiess-Scirocco,
die angesichts der hohen zu erwartenden Ausfallquote auf gute Plazierungen
hoffen konnten.
Das Rennen indes gestaltete
sich wieder wie gehabt: Die „1. Mannschaft" Heyer, Ludwig und Obermoser
machte das Tempo: ein so rasantes, daß Teamchef Grab seinem Schützling
Schommers schon nach 13 Runden anzeigte, er solle sachte machen, das da
vorne würde ja wohl nicht gutgehen.
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Der
Remscheider, der im Training mit argen Getriebeproblemen gekämpft
hatte, hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon aus einem hautnahen Kampf
mit Karl-Heinz Beckers 2002 und den beiden GS-Piloten Denzel und Bienefeld
zurückgezogen, um der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Und
die kamen dann auch prompt Denzel gab auf, nachdem ihm aufgefallen war,
dass er dauernd auf dem eigenen Öl rutschte (Ursache; ein loser Öldruckgeber).
Kurz darauf warf Becker das Handtuch, denn seinem Motor drohte ein Hitzschlag.
Aber Peter Bienefeld - ein nettes Gesicht in der Division 2 - hielt bravourös
die Stellung. Der junge Krefelder Kfz-Meister noch ohne große Rennerfahrung,
rackerte sich sogar an Peter Hennige heran. Der Gießener mußte
den Neuling gar zunächst ziehen lassen und auch noch zusehen, wie
der zweite GS-2002 auf den an 4. Position rangierenden Albrecht Krebs
auflief. Das Schnitzer-Auto, das offensichtlich seiner Topform entgegengeht
(Sepp Schnitzer persönlich weilte zur Beobachtung des bislang ungezogenen
Fahrwerkes am Norisring), litt aber in der Folge unter so schlimmen Überhitzungserscheinungen,
daß der leidgeprüfte Albrecht es an der Strecke abstellte.
Doch auch der gelungene Einstand Bienefelds hatte bald ein Ende, denn
die Bremsen waren, obwohl mit zusätzlichen elektrischen Gebläsen
ausgerüstet (alle anderen Teams hatten auf die bewährte Spritzwasserkühlung
gebaut), schließlich am Ende und machten eine Weiterfahrt im Renntempo
unmöglich. Kurz darauf mußte auch Obermoser die Segel streichen,
weil er im Eifer des Gefechts - er hatte seine liebe Not, dem voll heizenden
Ludwig zu folgen - den Schaltstock abgebrochen hatte. In der Zwischenzeit
wurde es immer leerer auf der Piste - auch Manfred Trint hatte mittlerweile
mit defektem Getriebe aufgesteckt -, so daß Schommers Rechnung voll
aufging, der auf Platz 4 lag und den Rest des Feldes - die BMW-Fahrer
Hermann, Pennartz, Kuhlmann und den BDA von Alois Roppes - weit hinter
sich gelassen hatte. Die Frage war nur noch, ob es Hans Heyer - möglicherweise
mit Stallregie - gelingen würde, den führenden Europamöbel-Escort
noch abzufangen. Erich Zakowski ließ den Dingen ihren Lauf, was
nicht unbedingt verwunderlich ist, denn auch der ehrgeizige Klaus hat
keine Punkte zu verschenken, und was soll's, etwas Schöneres als
einen Dreifachsieg (Peter Hennige wurde mit einer Runde Rückstand
Dritter) gibt's nicht, da ist doch die Reihenfolge Nebensache. |
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In
der großen Division nahmen sofort die Oberheizer Wollek und Hezemans
das Geschehen in die Hand, gefolgt von Schenken, Stenzel, Kelleners und
Schickentanz, wobei letzterer auf dem Saugmotor-RSR immerhin in der Lage
war, die übrigen Fauch-Porsche in Schach zu halten. Während
Hezemans den alles aufbietenden Wollek hetzte, quetschte sich Stenzel
an Schenken vorbei, was kurz darauf auch seinem Teamkollegen Kelleners
gelang. Kelleners schien aber nicht in bester Verfassung zu sein, denn
er verlor nach einem Dreher wieder an Boden, wobei Schenken, Schickentanz
und Neuhaus an ihm vorbeikamen. Wenige Runden später mußte
Schenken seinen Turbo an den Boxen abstellen, denn der war von einem der
ganz seltenen Motorschäden an den Porsche-Aggregaten heimgesucht
worden. In der 13. Runde riß Hezemans resolut die Führung an
sich und setzte sich ganz allmählich von Wollek ab. Reinhard Stenzel,
der schon beim vorangegangenen GT-Europameisterschaftslauf einen taktisch
errungenen 2. Platz hatte feiern können, ließ sich auch hier
auf gar nichts ein und spulte gleichmäßig schnell seine Runden
ab, insgeheim wohl froh, endlich einmal schneller zu sein als sein Kompagnon
Kelleners. Kurz nach Rennhälfte begann Wollek, den Rückstand
auf Heze langsam zu verkürzen; er konnte sich schließlich ganz
an den roten Porsche heransaugen. Die Folge war ein kurzer mitreißender
Kampf, aus dem der verbissen kämpfende Bob aber, nachdem er sich
nochmals an dem Holländer vorbeigebremst hatte, nach einem Dreher
als 2. Sieger hervorging. Danach sah es nach einem sicheren Sieg aus,
derweil nach einem Reifenwechsel bei Neuhaus und Getriebeschwierigkeiten
bei Dören auf den Plätzen hinter Schickentanz und Kelleners
(der schnellste Saugmotor-Pilot hatte sich erstaunlicherweise über
die gesamte Distanz vor dem zweiten Jägermeister-Turbo halten können)
noch alles offen war.
Da wurde Hezemans plötzlich langsamer, Wollek zog vorbei - Toine
kam an die Boxen, wo man nur konstatieren konnte, daß die Elektrik
im Sterben begriffen war. Der rote Turbo ging wieder auf die Strecke,
aber Hezemans wußte selbst, daß es zu nichts mehr reichen
würde; der Keilriemen zur Lichtmaschine war gerissen, und der Strom
aus der Batterie versiegte. Unsauber knatternd schlich der Wagen des als
Glückspilz bekannten Hezemans um den Kurs, Runde um Runde, Mark um
Mark verlierend. Zum Schluß schlug das Schicksal auch noch bei dem
ohnehin nicht gerade glücklichen Kelleners ein: ein Reifendefekt
drei Runden vor Schluß warf ihn noch hinter Neuhaus, den Österreicher
Konrad und Dören zurück.
Die Freude beim Kremer-Vaillant-Team
war nicht überschwenglich, aber immerhin hatte man mit 17.000 Mark
für den Divisionssieg (unverständlicherweise lag die Siegprämie
in der Division 2 nur bei lächerlichen 2.000 Mark) den dicksten Fisch
aus dem Preisgeldteich gezogen und Wollek war dem Tabellenersten Heyer
bis auf drei Zähler auf den Pelz gerückt.
Uwe Mahla
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