3. Heze-Sieg

Fünf Fahrer hatten den Hezemans-Erfolg beim 3. GT-Europameisterschaftslauf in Nürnberg verhindern können: Schenken, Wollek, Stenzel, Kelleners und Bertrams. Aber das Quintett war mit technischen Defekten beschäftigt und damit ohne Chance.


Nach dem Rennen räkelte sich der Sieger in den Sitzen seines Motorhomes. Von der Klimaanlage des Luxusmobils kühl umfächelt, grinste der Holländer: „Sieg locker vom Hocker."

Vor dem Rennen hatte es allerdings Probleme gegeben. Die FIA hatte kurzfristig ein Gebot erlassen und die Wasserkühlung der Bremsen untersagt. Teams und Fahrer muckten auf. Denn wer fliegt schon gerne von der Bahn, weil die Bremsen versagen? Und gerade in Nürnberg ist die Chance für eine solche Himmelfahrt besonders groß: Nirgendwo werden die Verzögerungsanlagen so gefordert wie auf dem Norisring. Der FIA-Beschluß wurde zum Anlaß für einen Trick der Veranstalter. Man verbot das kühlende Naß und verhängte Strafen. Wer mit Wasser kühlte, mußte zahlen. Eine Mark verlangten die Kommissare für den Rechtsbruch der Teams. Die zahlten und fuhren »naß«.

Der Kunstgriff der Rennleitung war ohne Gefahren, denn: „Für ein Delikt kann man den Übeltäter nur einmal bestrafen", erläuterte Rennleiter Leistner die kluge Tat, „die FIA kann zufrieden sein. Wir haben die Sünder bestraft. Sie behalten ihre Punkte um die GT-Europameisterschaft und wir das Rennen im Programm."

Leistner hatte noch andere Entscheidungen zu treffen. Bei Kremer wollte man Heyer auch bei dem Rennen um die GT-Europameisterschaft hinters Lenkrad setzen. Aber nur unter einer Bedingung: „Wenn das Programm geändert wird. Der GT-Lauf muß auf den Nachmittag verlegt werden und die Rennsportmeisterschaft auf den Vormittag." Die Idee der Kremer-Leute war durchschaubar: Heyer nur dann im Turbo, wenn Wollek schon in der nationalen Meisterschaft gefahren war. Denn bei Kremer wurde verschieden gewichtet: „Wir legen mehr Wert auf die Punkte in der Rennsportmeisterschaft. Wollek braucht einen Ersatzwagen, wenn am Vormittag etwas kaputt geht." Heyer fuhr den Kremer-Porsche auch im Training: „Für den Fall, daß der Rennleiter unserer Bitte entspricht." Gernot Leistner tat das nicht. Wollek war in Nürnberg der einzige Kremer-Kämpfer.

 

Zwischen den beiden Porsche-Teams vom Rhein gab es in Nürnberg wieder Häkeleien. Kremer hatte im Training ein Foul von Loos gesehen: „Nicht der Schenken ist die zweitbeste Trainingszeit gefahren, sondern der Hezemans im Auto von Schenken. Loos hat den Wechsel der Fahrer im Training nicht gemeldet." Doch der Schuldige war diesmal nicht der listige Georg, sondern ein redlicher Kommissar. Der Offizielle hatte vergessen, weiterzuleiten, was ihm Loos an den Boxen redlich gemeldet hatte. Die Startaufstellung wurde korrigiert. Schenken rückte vom zweiten Platz in der ersten Reihe hinter den Kremer-Fahrer Wollek in die zweite Reihe. Für Kremer trug der Wechsel keine Früchte: Im Rennen fuhr Hezemans trotz allem vor Wollek einher.

Aus dem erhofften Ringen um den ersten Platz wurde nichts. Nach einem Drittel der Distanz riß der Holländer dem Franzosen immer weiter aus. Statt den Spitzenreiter hart zu attackieren, verwirrte Wollek die Kremer-Leute mit wilder Gestik im Wagen. Bei Kremer wurden die Gesichter immer länger. Der zappelnde Wollek war allen ein Rätsel. Endlich kam der Franzose zur Box. Aus dem Rätselraten wurde Enttäuschung. Wollek zog den Helm vom Kopf und rapportierte: „Das Getriebe rattert wie bei einem Traktor, der vierte
Gang ist hin." Loos, zufrieden über die Trübsal bei Kremer, ließ Hezemans auf der Anzeigetafel bestellen: Fahr langsam.

Die Schar der Gegner war erschreckend geschrumpft. Tim Schenken hatte schon nach zwei Runden mit defektem Turbolader die Segel gestrichen. Noch kürzer war der Einsatz von Bertrams; nach einer Runde schob er seinen Turbo mit gerissener Steckachse zur Seite.

Das letzte Aufgebot gegen Hezemans waren die Max-Moritz-Fahrer Stenzel und Kelleners. Für beide war das Wochenende von Nürnberg ein düsteres Erlebnis. Vor allem Stenzel hatte sich im Training schwer getan. Er litt unter seinen Nerven und zog sich damit selber aus dem Ring. In beiden Trainingsläufen verheizte der Münchner je ein Getriebe. Eine Psycho-Kur des Medizinmannes der Rennbranche, Günter Traub, brachte im Rennen Linderung für Stenzels flatternde Nerven. Mit einem Eisbeutel im Nacken und gutem Zuspruch wurde Stenzel Zweiter hinter Hezemans. Routinier Kelleners dagegen wurde im Training und auch im Rennen durch simples technisches Malheur gebremst. Zuerst war sein Wagen falsch übersetzt, und im Rennen wurde er durch vibrierende Bremsen und einen defekten Turbolader am Erfolg gehindert. Außerdem plagte ihn ein körperliches Leid: Bei der Gartenpflege war die Zehe vom Gasfuß ins Hackwerk des Rasenmähers geraten. Kelleners fuhr mit zusammengebissenen Zähnen und Mullverband einen dritten Platz herein.

Burkhard Nuppeney

 

200 Meilen von Nürnberg (3. Lauf zur GT-Europameisterschaft), Norisring, 27. Juni 1976
1. T. Hezemans (Gelo/Tebernum-Porsche Turbo RSR) 66 Rd. = 151,8 km in 1:03.20,5 = 143,78 km/h;
2. R. Stenzel (M.Moritz-Porsche Turbo RSR) 1:03.37,4; 3. H.Kelleners (M.Moritz-Porsche Turbo RSR) 1:04.00,1; 4. J. Kannacher (Kannacher-Porsche Turbo RSR) 3 Rd. zur.; 5. A. Pallavicini (Porsche Turbo RSR) 3 Rd. zur.; 6. F. Konrad (Porsche Carrera RSR) 5 Rd. zur.

Schnellste Runde:
T. Hezemans (Gelo/Tebernum-Porsche Turbo RSR) 56,4 = 146,27 km/h

Stand der GT-Europameisterschaft (nach 3 Läufen):
1. T. Hezemans 60 Pkte.; 2. H. Kelleners 27 Pkte.; 3. R. Stenzel 25 Pkte.; 4. H. Bertrams 20 Pkte.; 5. F. Konrad 16 Pkte.; 6. B. Wollek 15 Pkte.; 7. T. Schenken 12 Pkte.; 8. A. Pallavicini 11 Pkte.; 9. J. Kannacher 10 Pkte.; 10. E. Sindel 6 Pkte.

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