Als besonders heiße Favoriten im Kampf um den Titel des Deutschen Rennsportmeisters haben sich Hans Heyer und Bob Wollek herauskristallisiert.
Während Heyer in Hockenheim seine Division beherrschte, fuhr Wollek in Nürnberg volle Siegespunkte ein. An der Spitze ist nunmehr — nach vier von zehn Meisterschaftsläufen —

"Alles noch offen"


Norisring: Sengendheiße Sonne, Temperaturen von 35 Grad im Schatten, Zuschauer mit Hitzschlag-Erscheinungen und Fahrer, die von der brütenden Hitze in den Rennwagen förmlich ausgelaugt waren: Das war das Norisring-Rennen 1976.

Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Und so sah man denn im Fahrerlager am Nürnberger Dutzendteich allenthalben grübelnde Teamchefs, Fahrer und Mechaniker, die darüber nachdachten, wie man denn neben den Autos auch die Piloten für das 70-Runden-Karussell hitzefest machen konnte. Fitness-Trainer Günter Traub, Kennern der Eisschnellauf- und der Motorsportbranche gleichermaßen ein Begriff, schwor auf Trockeneis. In einem kleinen Beutel verpackt und im Nacken der Fahrer des Max-Moritz-Teams liegend, sollte es verhindern, daß die bis zu 70 Grad ansteigenden Temperaturen in den Wagen die Piloten physisch schachmatt setzten. Diese Idee wurde dann auch von anderen Fahrern kopiert, und mancher ließ seinen Integralhelm zu Hause und griff wieder auf seinen alten Jethelm zurück.

Etwas anderes ließ sich die Crew von Erich Zakowski einfallen. ,,Setz dich doch mal eben in den Wagen von Hans", meinten die Zakspeed-Mechaniker, ,,und dann zieh mal den Hebel rechts an der Lenksäule." Pudelnaß stieg der Chronist wieder aus dem Escort: Die Mechaniker hatten nämlich die Düse der Scheibenwaschanlage in den Innenraum des Ford verlegt. Das Ganze, übrigens eine Idee von Peter Hennige, bewährte sich bestens.

Im Hinblick auf die Vorbereitung der Wagen war am Norisring schon immer die Bremsanlage einer der wunden Punkte, denn durch das ständige Herunterbremsen aus Höchstgeschwindigkeiten vor den beiden Spitzkehren werden die Bremsen bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht. Kommt dazu noch eine hohe Außentemperatur, wird dieses Problem sicher nicht kleiner. Da die FIA, die oberste internationale Behörde für den Automobilsport, jedoch die Verwendung einer zusätzlichen Wasserkühlung für die Bremsen untersagte, war man in Nürnberg in der Klemme. Fuhr man ohne Wasserkühlung - insbesondere die schwereren Fahrzeuge der Division I -, stand zu befürchten, daß die Bremswirkung vollkommen ausbleiben und dadurch eine Gefahr für die Zuschauer heraufbeschworen wurde. Fuhr man mit, so hatte ein Mitbewerber, der ohne Wasserkühlung fuhr, Protest einlegen können. Rennleiter Gernot Leistner regelte das Problem schließlich unkonventionell und im Bemühen um optimale Sicherheit für Zuschauer und Fahrer: Die Teilnehmer, die mit Wasserkühlung fahren wollten. mußten zuvor eine Sportstrafe entrichten, um dem Sportgesetz Genüge zu tun. Die Höhe der Sportstrafe: Eine Deutsche Mark.

Viel Pech hatte der Marburger Scirocco-Treter Wolfgang Wolf. Er mußte gleich erfahren, daß der Motor seines Spiess-Scirocco schon beim Aufwärmen den Geist aufgegeben hatte. Der Wagen konnte am Samstag nicht mehr repariert werden. Wolf konnte erst beim freien Training am Sonntagmorgen erste Gehversuche machen. Nach zwei Runden im Rennen aber waren plötzlich die Bremsen vollkommen weg: Kein erfreuliches Wochenende für Wolf und die Spiess-Mannen.

Das Rennen der Division II kann ganz kurz so beschrieben werden: Ford brillierte, BMW und Opel erlebten ihr Waterloo. Die Opel-Truppe um Tuner Günter Irmscher und Sportchef Helmut Bein rechnete sich zwar einige Chancen auf eine gute Plazierung aus, man schloß aber auch einen Ausfall des einzigen gemeldeten Kadett GT/E - der Trint-Wagen von Hockenheim mit der starken 272-PS-Maschine und der modifizierten Hinterachse aus dem Röhrl-Auto – nicht aus. Nach dem Training lag
der Kadett auf dem 11. Rang.

Trint: ,,Beim Anbremsen der Spitzkehren macht das Ding noch nicht das, was ich eigentlich will. Ich bremse vorsichtshalber immer in der Mitte der Fahrbahn, damit links und rechts genügend Platz ist." Im Rennen scheiterte der lange Flugingenieur aber nicht an den Bremsen, sondern am Getriebe: Die Schaltgabel gab den Geist auf, das Getriebe blockierte.

Echte Chancen auf vordere Plätze und auf Punkte in der Rennsportmeisterschaft hatten sich dagegen die BMW-Piloten von GS und Schnitzer ausgerechnet. Jörg Obermoser konnte sich mit dem Warsteiner-Bierwagen mitten in die Ford-Phalanx schieben, während sich Peter Bienefeld - der junge Krefelder zeigte im Vorjahresauto von Obermoser eine exzellente Leistung -, Albrecht Krebs und Jörg Denzel die Startplätze fünf bis sieben teilten. Krebs
konnte sich im zweiten Training auf Anhieb bis auf 3/1o Sekunden an Obermoser heranarbeiten, dagegen klagte Denzel über rätselhafte Zündaussetzer, deren Ursache die GS-Crew nicht zu entdecken vermochte.

Bereits in der 12. Runde des 70-Runden-Rennens begann für GS-Teamchef Dieter Basche einer ,,der schwärzesten Tage": Jörg Denzel zog bei der Einfahrt in die Boxengasse eine dicke Ölqualmwolke hinter seinem BMW her. Durch die Motorvibrationen hatte sich der Geber für Öldruck und -warnleuchte gelockert, diagnostizierten die GS-Techniker - schlossen allerdings auch nicht aus,
daß er möglicherweise gar nicht festgezogen worden war. 10 Runden später stellte auch Bienefeld seinen Wagen ab: Die Bremsen waren am Ende. Am Ende war kurz darauf auch Jörg Obermoser; der Unternehmer aus Bruchsal schaltete sieben Runden lang mit einem Stummel von ganzen 8 cm Länge, nachdem der Schalthebel abgebrochen war. Er hatte die erste Hälfte des Rennens an zweiter Stelle gelegen und hatte vielleicht noch den führenden Klaus Ludwig gefährden können.

Nicht viel länger mischte Albrecht Krebs mit. Gerade als er sich den vierten Platz erobert hatte, streikte der Motor seines Schnitzer-BMW.

Daß wiederum eine gebrochene Ventilfeder (wie in Hockenheim) die Ursache des Übels war, veranlaßte Herbert Schnitzer, den ganzen Satz Ventilfedern an den Hersteller zwecks genauer Untersuchung zurückzuschicken.

Des einen Leid, des anderen Freud: Die Ford-Truppe um Erich Zakowski hatte bereits im Training recht wenig Ärger gehabt, lediglich an den Übersetzungsverhältnissen der drei Zakspeed-Escort wurde herumgedoktert. Jeder Fahrer bevorzugte eine andere Übersetzung, wobei zum Beispiel Peter Hennige sie so kurz wählte, daß er nicht in den ersten Gang zu schalten brauchte. Das Rennen war dann eine klare Sache für das Zakspeed-Trio, nachdem mit Obermoser der härteste Konkurrent ausgefallen war. Hans Heyer führte das Feld nur bis zur siebenten Runde an, dann konnte sich Ludwig mit dem weiß-blauen Escort vorbeischieben. Hennige und Werner Schommers, der heuer ein Musterknabe in Sachen ,,Ankommen" ist, belegten die nächsten Plätze.

 

Dramatik bis kurz vor Schluß brachte das Rennen der großen Division. Das Rivalen-Duo Toine Hezemans (Gelo-Porsche) und Bob Wollek (Kremer-Porsche), das sich ja bereits in Hockenheim keinen Zentimeter Boden geschenkt hatte, jagte auch um den Norisring, als wären die beiden Wagen aneinandergekoppelt. 13 Runden lang führte Wollek, dann passierte ihn Hezemans. Bob versuchte mehrmals, den cleveren Hezemans auszubremsen, aber Heze griff tief in seine Trickkiste und blieb vorne. Bei einem dieser Versuche wäre der Elsässer fast ins Abseits geraten; Wollek: ,,lch wollte Heze am Ende der Start-Ziel-Geraden ausbremsen, aber da waren rechts noch langsamere Fahrzeuge. Ich mußte etwas von der Bremse, um noch heil vorbeizuwischen - und da war ich in der Spitzkehre zu schnell. Der Wagen stellte sich quer und blieb stehen, zum Glück lief aber der Motor weiter."

Fast schien es, als sei damit die Entscheidung gefallen, aber Wollek gab nicht auf und kämpfte sich wieder Runde für Runde heran. Und dann kam ihm der Defektteufel zur Hilfe: An der Lichtmaschine des Loos-Turbo löste sich der Keilriemen, und der Batteriestrom reichte nicht mehr aus, um den Wagen ins Ziel zu bringen.

Ähnliches Pech ereilte Helmut Kelleners, als am Porsche kurz vor Rennende ein Hinterreifen platt wurde. Kelleners konnte sich nur humpelnd ins Ziel retten. Die Liste der Pechvögel komplettierte Hartwig Bertrams. Bei den Aufwärm-Runden brach die Antriebs-Halbachse. In aller Eile wechselten die Mechaniker des Evertz-Teams das defekte Teil aus; vergebens, nach zwei Rennrunden war Bertrams aus dem Rennen.

Einen deutlichen Aufwärtstrend zeigte in Nürnberg Reinhardt Stenzel. Obwohl er während des Trainings zwei Getriebe zerlegt hatte und vom achten Startplatz aus ins Rennen gehen mußte, fand der Münchener seinen alten Biß wieder.

Reinhold Stoll


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