Norisring

29 zweisitzige Rennwagen hatten gemeldet, 24 traten zu den offiziellen Trainingssitzungen an, 16 qualifizierten sich für die zwei Durchgänge, und nur 7 Rennwagen beendeten den sechsten Lauf zur Interserie ´72 auf dem Norisring.

Rennleiter Gernot Leistner hatte „keine Kosten und Mühen“ gescheut, das Sicherheits-Image des Norisringes wieder aufzupolieren und ein potentes Teilnehmerfeld auf die Beine zu stellen. Zu den inzwischen sattsam bekannten Teilnehmern stieß als einzig interessanter Neuzugang Chris Craft auf einem vom David Piper Racing Team gemeldeten Porsche 917 Coupé mit einem 5,4 Liter-Motor. Ernst Kraus hatte nach seinem „Hockenheim-Unfall“ Hannu Kahi vom AAW-Racing Team gebeten, den letztjährigen Kinnunen 917-Spyder leihweise für die restlichen Interserien-Läufe zu erhalten. So erschien Kraus bereits am Norisring mit dem blau-weißen Wagen, den er hatte überholen lassen und der mit seinem 5,4 Liter-Motor ausgerüstet war. Ein weiteres, bekanntes Auto aus dem letzten Jahr wurde für dieses Rennen wieder zum Leben erweckt: Der Neuhaus 917-Spyder ist in einem Tauschgeschäft zu Georg Loos übergewechselt und war für Franz Pesch, den zweiten Fahrer des Gelo-Teams, vorgesehen. Der gemeldete AMG-Turbolader-Mercedes erschien ebenso nicht wie der Lola T 280 für Mario Casoni, so daß insgesamt 24 Wagen zum ersten offiziellen Training am Samstagmorgen antraten.
Da die „neue“ Noris-Ringstrecke — Gesamtlänge 2300 m — von den Strecken-Abnahme-Kommissaren für nur maximal 16 Fahrzeuge dieser Kategorie zugelassen worden war, mußten sich die Piloten in drei Trainingssitzungen qualifizieren.

Training
Chris Craft bewies seine fahrerischen Qualitäten, als er eine Bestzeit von 52,1 sec vorlegte, die erst im zweiten Training von Teddy Pilette auf dem McLaren-Turbo von Morand mit 51,3 sec unterboten werden konnte, die später kein anderer Fahrer mehr erreichte. Kinnunen kam wegen Zündungsschwierigkeiten auf keine gute Zeit und mußte mit der dritten Startreihe vorliebnehmen.



 

Bei Kauhsen lief es im Training ebenfalls nicht viel besser - an seinem Wagen wurde das Getriebe gewechselt. Danach erreichte er 51,7 sec und war Drittschnellster hinter Helmut Kelleners, der seinen McLaren M 8 F optimal um den Minikurs fliegen ließ und nach 51,5 sec wieder am Ziel landete. Die BRM-Crew war nach einer kurzen Vorstellung von Ganley — Bestzeit 53,4 sec — mit dem P 167 in einer Stadtgarage verschwunden, um dort den 8,1 l-Motor auszuwechseln. Da selbst eine Top-Mechaniker-Crew einen Motorenwechsel bei diesem Wagen nicht unter fünf Stunden schafft, blieb Ganley dem restlichen Training fern. Am Kraus‘schen Spyder stieg die Öltemperatur in unverantwortliche Höhen. Eine genaue Kontrolle zeigte den Grund: Der zum Verkauf anstehende AAW-Spyder (Verhandlungsbasis DM 120 000) war neu lackiert worden, wobei man, der Einfachheit halber, gleich den Frontölkühler mitgespritzt hatte! Ein neuer Ölkühler beseitigte das Übel und verhalf Kraus zu einer Zeit von 53,0 sec und einem Platz in der dritten Startreihe neben Kinnunen.

Rennen

Während sich die qualifizierten Teilnehmer ihren Zeiten entsprechend zum ersten Lauf aufstellten, wurde beim Trainingsschnellsten Pilette an der Boxe noch schnell ein Überdruckventil des Laders ausgewechselt. Nach der Einführungsrunde setzte sich überraschend Kelleners vor Kauhsen an die Spitze, dann folgten Pilette, Kinnunen, Kraus und Craft. Die 4. von 70 zu fahrenden Runden brachte die Vorentscheidung für diesen Lauf und das gesamte lnterserie-Rennen. Pilette rutschte beim Anbremsen der zweiten Spitzkehre von der ldeallinie und beschädigte die linke Frontpartie seines Wagens. Craft ging noch gründlicher zu Werke: Im harten Fight mit Kraus erlitt das 917-Coupé einen Getriebeschaden, als Folge davon flog Craft gegen eine Streckenbegrenzung. Für Pilette und Craft war das Rennen vorbei. Eine Runde später kam der an 5. Position liegende Ganley in langsamer Fahrt an den Boxen vorbei, ein erneuter Motorschaden brachte das vorzeitige Aus. Kraus, der nach einer unfreiwilligen Leitplankenberührung zur Überprüfung eventueller Schäden an seine Boxe fuhr, fiel auf den 7. Platz zurück.

 

Erst in der 15. Runde setzte sich Kauhsen vor Kelleners, der von Kinnunen verfolgt wurde. Vier Runden später zog Kinnunen an Kelleners vorbei, blieb aber hinter dem führenden Kauhsen. In der 50. Runde betrug der Vorsprung des Aacheners gut 30 sec. Aber der Finne kam jetzt immer näher, und fünf Runden später hatte der ‚Finnbauch“ Kauhsen geschafft. Bis ins Ziel vergrößerte Leo seinen Vorsprung auf 26,4 sec. Hinter Kauhsen, mit einer Runde Rückstand, folgten Kelleners, Pesch und Kraus. Insgesamt beendeten nur zehn Wagen diesen ersten Durchgang, davon einige, die sich mit letzter Kraft über die Ziellinie schleppten. Die kurze Strecke mit den zwei schnellen Passagen — Spitze bis knapp 300 km h – und zwei 1. Gang-Spitzkehren nagte an Kupplung und Bremsen. Bein Kauhsen-Wagen waren die Bremsbeläge bis aufs Metall abgefahren, daher konnte Willi den Finnen nach 2/3 der Strecke im 1. Lauf nicht mehr halten. Das AAW-Team verwendet die neue und bessere Bremsanlage, deshalb gab es dort diese Probleme nicht.

Vor dem 2. Lauf wurden die Wagen noch einmal eiligst durchgecheckt. Kraus entdeckte dabei ein Loch im Zylinderkopf des Porsche-Motors - ein Folgeschaden des letzten Unfalles - und trat nicht mehr an, ebenso der Schweizer Müller, an dessen Ferrari ein Einspritzpumpendefekt diagnostiziert wurde.

Zehn Wagen nahmen nach den Plazierungen des 1. Laufes Aufstellung zu den zweiten 70 Runden. Diesmal setzte sich Kauhsen an die Spitze. Kelleners folgte ihm, dahinter Kinnunen. Pilette wurde zum ständigen Boxengast und legte insgesamt nur 18 Runden zurück. Rieger hatte Kupplungsprobleme an dem älteren McLaren M 8 C, am Wagen von Loos stellten sich bald wieder die alten Bremsprobleme ein. Kauhsen fuhr an der Spitze mit Rundenzeiten um 54,0 sec, fast immer im gleichen Abstand folgte Kinnunen, dessen Boxe darauf achtete, daß der Rückstand nie mehr als 20 sec betrug. In der 36. Runde wurde der drittplazierte Kelleners von den Führenden überrundet, hinter ihm folgten Pesch, Dursch, Pfuhl und Link, womit auch gleich das ganze Feld aufgezählt ist. An dieser Reihenfolge änderte sich nichts mehr bis ins Ziel. Diese Entwicklung sah wohl auch ein Teil der 40 000 Zuschauer voraus, denn er wanderte während des Rennens ab.

lobo

 

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