Tragödie am Rande

Da waren im Nürnberger zweiten Lauf um den OMK-Pokal der Junioren die Seitenwagenmaschinen zum Start aufgerufen.
18 standen. Die Luft brodelte von Auspuffgeräuschen. Die Gegensätze berühren sich: es war genauso erregend wie beim Galopprennen die Sekunden, bevor das Startband vor den auf die Freigabe fiebernden Pferden emporsaust.
Nur ein Gespann war noch nicht an seinem Platz. Nr. 273. Fahrer, Beifahrer und Mechaniker bemühten sich vergebens, die Maschine zum Laufen zu bringen. Schließlich schoben sie sie, Sekunden, bevor die Startflagge sich senkte, in die Startreihe. Die weiße Flagge sank. 17 Gespanne brausten davon. Das 18., Nr. 273, stand, nachdem Fahrer und Beifahrer abermals vergeblich versucht hatten, es anzuschieben. Der Schmiermaxe schlug, Gebärde der Verzweiflung, mit dem Sturzhelm auf den Seitenwagenboden. Der Fahrer setzte sich resiginiert auf den Sattel.

Plötzlich packte den Schmiermaxe die Wut — er knallte dem Fahrer seine linke Faust in die Rippen. „Auf! Nicht verzweifeln! Versuch's nochmal!" und gleichzeitig rutschte er hinten herunter, faßte Tritt, schob, gemeinsam mit dem Fahrer, schob, schob — bis die Kraft erlahmte und nur noch dazu reichte, die Maschine, wenige Meter nach dem Start, an den Streckenrand zu schieben.
Tragödie am Rande — Streich der Technik, den diese dem Menschen spielte — aber wer vermag die Tiefe der Enttäuschung, die Vernichtung all des seelischen Kapitals auszuloten, die dem Duo da widerfuhr?
Wer erfaßte in diesen Augenblicken, was es heißt, den Kampfplatz zu verlassen, ohne zum Kampf gekommen zu sein, geschlagen worden zu sein, bevor es überhaupt anhub - und dennoch durchzuhalten zum nächsten, zum übernächsten Male?
Eine Minute höchstens offenbarte sich drastisch, wie hart das Rennfahrerschicksal sein kann, wie einsam der Mann ist.
Denn die Zuschauer sehen nur die, die siegen.


 

Anmerkung der Norisringhistorie:
Die Nr. 273 waren Egon Schons / Karl Lauterbach aus Trier auf BMW.

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