Nürnberg, Endlauf ohne Niveau

Ein wenig würdiger Abschluß der diesjährigen Straßenmeisterschaft, festgestellt von Eugen K. Schwarz

Es sind an dieser Stelle über die vorangegangenen Rennen in Nürnberg, die ja als Endläufe um die Deutsche Straßenmeisterschaft für Motorräder im Terminkalender figurierten, schon viele harte Worte gefallen. Sie gipfelten immer in der Feststellung, daß der Flachkurs des Noris-Ring für die Abhaltung des Endlaufes nicht geeignet ist, da die Streckenführung dieser Beton-Piste mit einigen rechtwinkeligen Kurven und wenigen Kehren keinerlei Anforderungen an Fahrer wie Maschinen stellt. Mehr als einmal wurde dafür plädiert, das Finale auf einer geeigneteren Strecke abzuhalten. Aber all diese Kritik hatte keine Wirkung bei den für die Vergebung maßgebenden Stellen gezeigt, denn auch 1951 war diese Nürnberger Bahn wieder dazu ausersehen, auf ihr den Endkampf der Motorrad-Klassen auszutragen. Es scheint, daß die Oberste Motorsport-Führung entgegen allen Hinweisen der kritischen und wohlmeinenden Fachwelt ihre Entscheidungen zugunsten Nürnbergs ausschließlich nach Gesichtspunkten fällt, die andere Dinge, vielleicht verbands-politischer Art, berücksichtigen, nur nicht die sportliche und technische Aufgabenstellung.
Die diesjährige Veranstaltung gibt Gelegenheit, über die Kritik an der ungeeigneten Strecke hinauszugehen und ein viel umfassenderes und schwerwiegenderes Urteil über den gesamten Meisterschafts-Endlauf in Nürnberg zu fällen. Die Veranlassung zu dieser das Nürnberger Rennen völlig ablehnenden Haltung gab der Gesamteindruck des diesjährigen Treffens, dem jedes Niveau eines Meisterschaftslaufes, ja sogar eines mittleren nicht gewerteten Straßenrennens abging. Nürnberg 1951 war der unmöglichste Endlauf einer Saison, die eine Anzahl wertvollster Veranstaltungen bereits erbracht hatte. Er war eine Zumutung, nicht nur für die Fachwelt, sondern gerade für den einfachsten und genügsamsten Rennbesucher! Unbeeinflußt von den geradezu beschämenden Vorkommnissen am Rande der Organisation, wie eine unmögliche Pressebetreuung und eine an Sturheit nicht zu übertreffende polizeiliche Absperrung (die aber den Zuschauern gegenüber versagte, als diese immer wieder die Strecke überfluteten), können drei unwiderlegbare schwerwiegende und nicht zu verzeihende Fehler angeführt werden, die diesem Endlauf den Stempel eines meisterschaftsunwürdigen Rennens aufdrücken.
Erstens war die Besetzung jeder Motorradklasse mit höchstens acht bis zehn Mann in überhaupt keinen Einklang mit dem Gedanken zu bringen, daß es sich dabei um einen Meisterschafts- und zudem um den Endlauf handeln würde. Von einem solchen Ereignis kann erwartet werden, daß die Felder noch einmal all die Teilnehmer der vorangegangenen deutschen Rennen und auch alle Punkteträger aus der Wertung aufweisen. Wenn der Nürnberger Veranstalter aus finanziellen Sicherheitsgründen, und um ein mehrfaches Manko anderer Clubveranstaltungen zu decken, nicht in der Lage ist, so viele Fahrer zu verpflichten, wie es sich für eine solche sogenannte Riesenveranstaltung geziemt, dann hat er sich schon damit das Urteil selbst gegeben.

Der zweite für einen Endlauf unmögliche Fehler war das Zusammenlegen von je zweimal zwei Klassen in einen Lauf. Nicht nur, daß es unbillig; ist, auf diese Art einigen Meisterschafts-Bewerbern die Möglichkeit zu nehmen, in zwei Klassen getrennt an den Start zu gehen und um die letzten Punkte zu kämpfen, nein, es war auch für die Tausende von Zuschauern ein irritierendes Bild und unmöglich, den Ereignissen auf der Strecke folgen zu können. Man denke sich das Tohuwabohu auf dieser nur 4 Kilometer langen Flachstrecke, bei der sich an einem Punkt drei Fahrbahnen berühren und wo vor den Tribünen eine Hin- und Herfahrt zu sehen ist, als sich die beiden zugleich gestarteten Klassen mischten und dazu die Überrundungen hinzukamen. Kein Mensch, außer ein paar Fachleuten und alten Schlachtenbummlern, kannte sich ab diesem Moment mehr aus. Zudem konnte die Lautsprecheranlage während des Rennens kaum in Tätigkeit treten, um zu unterrichten, da der fortwährende Lärm über der ganzen Strecke jede Durchsage verschluckte.
Punkt drei dieses fehlerbehafteten Endlaufes war die Änderung der in der Ausschreibung festgelegten Rundenzahl, ohne daß dazu den Teilnehmern vorher überhaupt Mitteilung gemacht wurde.
Wann kommen wir in Deutschland endlich davon ab, den Teilnehmern und den Zuschauern nicht das zu bieten, was in Programm und Ausschreibung geschrieben steht und festgelegt ist? Jedenfalls hat sich Nürnberg mit dem diesjährigen Rennen den schlechtesten Dienst erwiesen.
Nach den feststehenden Tatsachen, die vorstehend nur in abgemilderter Form wiedergegeben worden sind, kann und darf in Zukunft der Meisterschafts-Endlauf, ja überhaupt kein Meisterschaftslauf mehr nach Nürnberg vergeben werden!
Sollte dies im kommenden Jahr und so fort jedoch weiterhin der Fall sein, dann liegt klar auf der Hand, daß bei diesem Rennen keine sachlichen Erwägungen und sportlichen Motive für die Einbehaltung in der Meisterschafts-Runde eine Rolle spielen, sondern Gründe anderer Art, auf die hier nicht näher eingegangen zu werden braucht. Es würde aber ein bezeichnendes Licht auf die derzeitige Situation im deutschen Motorsport werfen!


Bei den vorerwähnten schwachen Besetzungen aller Klassen kann im folgenden der Verlauf der Rennen sehr schnell und kurz skizziert werden.
Am Samstag nach dem Training traten die 125-ccm-Maschinen zum Kampf um den Titel an. (Was heißt hier übrigens „Endlauf", wenn die 125-cem-Klasse eine Woche später auf dem Grenzlandring noch einen Meisterschaftslauf zu absolvieren hat?) Der mit der höchsten Punktzahl startende Meisteranwärter H. P. Müller zog mit seiner jetzt enorm schnellen DKW dem Felde voran, und weder die NSU-Fahrer Daiker, Hofmann, Dietrich und Reinhardt, noch Ewald Kluge (DKW) und die Privatfahrer Hoffmann (Puch) und Felgenheier (DKW) konnten hier einigermaßen folgen. Am besten war noch Daiker, nachdem der vor ihm liegende NSU-Hofmann einmal zu Boden mußte. Schon den sicheren Sieg in der Tasche, mußte der Vorjahrsmeister infolge eines Tankrisses mehrfach an die Boxe, so daß Daiker die Spitze übernehmen konnte, um sie bis zum Ziel nicht mehr abzugeben. ,,H. P." fuhr auf Durchhalten, und kam tatsächlich an vierter Stelle hinter Daiker, Hofmann und Dietrich ein. Damit sicherte der DKW-Mann sich bereits in Nürnberg den deutschen Meistertitel, in Fortsetzung seines Vorjahrserfolges. Der dreifache Sieg von NSU kann als sehr erfreulich hervorgehoben werden.

 


Am Sonntag starteten 250er- und 350er-Klasse gemeinsam mit Startabstand. Bei den Viertellitern zog erst Ewald Kluge mit seiner DKW vorne weg, wurde dann aber von Thorn-Prikker (Guzzi) geholt. Der bereits feststehende Deutsche Meister Thorn-Prikker siegte unangefochten, aber besonders schön war, daß die drei beachtlich gut laufenden DKWs unter Kluge, H. P. Müller und Wünsche auf die nächsten Plätze kamen. Gablenz fiel durch Sturz mit abgebrochenem Bremshebel an seiner Parilla auf den 5. Platz zurück. Die 350er-Klasse mußte zwischen Schnell und Baltisberger entscheiden, die punktgleich waren. Doch dem jungen Baltisberger und seiner ATS blieb gegen Schnell und dessen wahnsinnig laufende Parilla keine Chance. Der Karlsruher siegte überlegen vor Kläger (AJS) und Baltisberger und holte sich damit erstmals nach mehrfachem Anlauf den Meistertitel. Auf den Plätzen noch Schön (Velocette), Knopf (AJS), Grösch (AJS) und Gehring (Norton).
Bei den 500er-Gespannen hatte der B M W-Werkfahrer Kraus/Huser die vorangegangenen fünf Meisterschaftsläufe gewonnen und stand schon als Titelträger fest. Nun holte er sich auch den sechsten Lauf und wurde damit der nach Siegen gemessen erfolgreichste deutsche Meister 1951. Noll/Cron (BMW), die überraschend schnell waren und einige Zeit gut hinter Kraus lagen, fielen mit Getriebe schaden aus, so daß Lipp/Stragies (BMW) und Schmid/Kölle (NSU) auf die nächsten Plätze kamen. Die mitgestartete 750er-Gespannklasse führte einige Zeit Ebersberger/Strauß (BMW) an, doch mußte er bald dem Schweinfurter Mohr/Müller (MFK) die Spitze überlassen und später ausscheiden. Taktisch klug hielt sich der Münchner Josef Müller/Huber auf dem 2. Platz hinter Mohr, und dieser BMW-Fahrer holte sich damit den Titel zum viertenmal in dieser Klasse seit Kriegsende.
Die Halbliterklasse sollte eine Entscheidung zwischen den beiden BMW-Werkfahrern Meier und Zeller bringen. Aber sie fiel aus! Zeller jagte vom Start weg mit der Spitze davon, während Georg Meier einfach nicht in Schwung kam, da seine Maschine nach den Ecken nicht wegzog, So holte sich der 24jährige Zeller erstmals in seiner kurzen, aber erfolgreichen Karriere den deutschen Meistertitel. Schorsch Meier aber, der seinen Teamkameraden kampflos ziehen lassen mußte, wird nun im nächsten Jahr versuchen, das in dieser Saison Mißlungene nachzuholen. Vielleicht hat das Pech von Meier in Nürnberg dem deutschen Motorsport seinen besten Mann für ein weiteres Jahr erhalten, denn als Meister wäre der Münchner eventuell zurückgetreten. Sehr gut hinter Zeller und Meier war der BMW-Privatfahrer Eberlein, den weder Baltisberger (Norton) noch der später ausfallende Schön (Guzzi) noch Fuß (Engl. Triumph) erreichen konnten. Zeller fuhr mit 109,5 km/Std. bzw. 111,4 beste Tages- und Rundenzeit.

Bliebe noch ein Lauf der 2-Liter-Sportwagenklasse zu erwähnen, der den „großen" Tag beschloß. Von einem Neunerfeld, das lange Zeit der Nürnberger Rieß vor Ulmen anführte, blieben ganze vier Mann übrig! Bechem-Hagen (BMW) siegte vor Peters (Veritas), Seidl (Veritas) und v. Strachwitz (Lancia). Zwischen diesen lagen zwei bzw. drei Runden Abstand! Mehr über das Finale auf dem Noris-Ring zu sagen, erübrigt sich. Am schönsten war jedenfalls wieder die Kulisse der Riesensteintribüne, mit Menschen überfüllt. Nur waren diese sicher nicht befriedigt!

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